Florenz 10+10

Zehn Jahre nach dem ersten Europäischen Sozialforum fand das Florenz 10+10-Treffen statt, das von sozialen Bewegungen initiiert und organisiert worden war. Entlang der fünf thematischen Achsen: Demokratie / Finanzen, Schulden und Sparpolitik / Arbeits- und soziale Rechte / Gemeingüter und öffentliche Dienste / Europa in der Mittelmeerregionen und der Welt wurden zahlreiche Seminare, Verständigungstreffen und Diskussionen abgehalten.

Auch wurden Netzwerke und Kampagnen initiiert, unter ihnen das neu ins Leben gerufene Netzwerk fortschrittlicher europäischer ÖkonomInnen (European Progressive Economists Network), in dem auch transform! europe sich engagiert (die betreffende Presseerklärung findet sich weiter unten).

Darüber hinaus wurden erste Schritte in Richtung einer Solidaritätskampagne gesetzt, die von griechischen AktivistInnen vorgeschlagen wurde und sich „Solidarität für alle!” nennt – ein Aufruf, griechische basisdemokratische Solidaritätsinitiativen zu unterstützen und mit ihnen zusammenzuarbeiten und medizinische Versorgung bereitzustellen. (Beachten Sie bitte weitere Informationen auf der transform-Webseite oder kontaktieren Sie: solidarityforall@gmail.com)

transform! europe organisierte zwei große Diskussionen, an denen AktivistInnen sozialer Bewegungen, politische AkteurInnen und GewerkschafterInnen teilnahmen; sie trugen die Titel „Wie kann Europa neu gegründet werden? – Welche Konstruktion? Welche politische Strategie?” und „Ein Dialog zwischen sozialen Bewegungen und politischen AkteurInnen: Sich den krisenbedingten Herausforderung stellen“: Zu den SprecherInnen der zweiten Diskussionsveranstaltung zählte auch der stellvertretende Generalsekretär des EGB, Patrick Itschert (Details dazu in der Sonderausgabe Nr. 13a unseres Newsletters).

Weiters fand ein Workshop zum Thema „Wie der extremen Rechten ent­gegentreten?“ statt, der gemeinsam mit der Rosa Luxemburg-Stiftung und dem Netzwerk Prager Frühling 2 organisiert wurde.

transform! europe war vor Ort mit einem Stand vertreten, der gemeinsam mit der Europäischen Linkspartei und der Mitgliedsorganisation transform!Italia betreut wurde. transform!Italia präsentierte dort u.a. die italienische Ausgabe der Zeitschrift transform! Nr. 10: Democrazia: una sfida per l’Europa.

Im Folgenden finden Sie den Aufruf zu gemeinsamen Aktionen und die vorgeschlagene Roadmap, die vom letzten Plenumstreffen von Florenz 10+10 verabschiedet wurden, und weiters die Presseerklärung des neu gegründeten Europäischen Netzwerks fortschrittlicher ÖkonomInnen.

 

Abschlusserklärung von Florenz 10+10

Vereinen wir unsere Kräfte für ein gemeinsames Europa – Unsere Demokratie statt ihrer Sparpolitik”


Über 4.000 TeilnehmerInnen, 300 Netzwerke und Organisationen aus insgesamt 28 Ländern aus ganz Europa und darüber hinaus, trafen sich zwischen 9. und 11. November in der Fortezza da Basso in Florenz, um gemeinsam über ein anderes Europa zu diskutieren und Strategien zu diesem Ziel zu entwerfen.  Mehr als 100 Treffen fanden statt, viele neue Netzwerke wurden gegründet und Kampagnen gestartet.

Soziale Organisationen und Bewegungen, GewerkschafterInnen und BürgerInnen, die sich gegen Sparpolitik und Schulden, für den Gemeinbesitz an natürlichen und sozialen Gütern, für soziale und Arbeitsrechte, für Demokratie, globale Gerechtigkeit und Frieden, für Geschlechteranliegen und MigrantInnenrechte einsetzen, sind zu Florenz 10+10 zusammengekommen.

Wir rufen zu einer permanenten europaweiten Mobilisierung auf, um die Kämpfe gegen die Krise zu unterstützen und um für jede/n eine Zukunft in Europa und der Welt zu ermöglichen. Diese Mobilisierung umfasst sowohl Zusammenkünfte als auch dezentrale Aktionen. 

Die erste gemeinsame Initiative für ein europaweit gemeinsames Handeln sind die Generalstreiks und Mobilisierungen gegen die Sparpolitik in vielen Ländern Europas am 14. November 2012.

Wir schlagen für den EU-Frühjahrsgipfel einen gemeinsamen Aktionstag vor, der am 23. März in Brüssel stattfinden wird. Format und Aufruf zu dieser gemeinsamen Mobilisierung werden in den folgenden Monaten in einem offenen und Teilhabe ermöglichenden Prozess diskutiert und abgestimmt.  

Wir rufen Euch zur Beteiligung an folgenden Aktionen und Mobilisierungen auf:

  • 18. Dezember 2012: Internationaler MigrantInnentag
  • 23.-27. Januar 2013: Aktion gegen die Finanzialisierung von Leben und Gemeingütern (Aktionen gegen Banken)
  • 8. März 2013: Europäischer Aktionstag zur Frauenemanzipation und gegen Austerität und Schulden (Internationaler Frauentag)
  • 26.-30. März 2013: Weltsozialforum in Tunis
  • Mai 2013: Blockupy in Frankfurt
  • 7.-9. Juni 2013 (Vorschlag): Alter Summit in Athen
  • Juni 2013: G8 Gegengipfel in UK (noch nicht bestätigt)
  • Konkrete Solidaritätshandlungen zur Unterstützung von Menschen, die von der Krisenpolitik betroffen sind, und für die Opfer rassistischer Gewalt und Beleidigungen

Alle Organisationen und Bewegungen bestimmen selbst die Aktionen, an denen sie sich beteiligen, und die Formen, die diese annehmen.

Berichte aus den fünf Bündnisbereichen und andere Dokumente werden auf der Webseite www.firenze1010.eu veröffentlicht, sobald sie geschickt werden an: info@firenze1010.eu.

 

 

European Progressive Economists Network

Gemeinsamer Appell für eine andere Wirtschaftspolitik für Europa

Pressemitteilung, 9. November 2012

Das European Progressive Economists Network ist auf dem Sozialforum Florenz 10+10 auf Initiative von EuroMemorandum, Economistes Atterrés aus Frankreich, Sbilanciamoci! aus Italien und Another Road for Europe gegründet worden. Darin haben sich heterodoxe ÖkonomInnen und Think Tanks zusammengeschlossen, darunter Econosphères aus Belgien, econoNuestra aus Spanien, das Transnational Institute, das Netzwerk Critical Political Economy, transform! europe und viele andere Organisationen.

Das European Progressive Economists Network hat das folgende Papier über wirtschaftliche Alternativen für Europa formuliert und will sich an Initiativen und Veranstaltungen beteiligen, die in der Folge von Florenz 10+10 entstehen werden:

„Das European Progressive Economists Network ist ein Zusammenschluss von ÖkonomInnen und anderen ForscherInnen, Instituten und Organisationen der Zivilgesellschaft, welche die vorherrschende Wirtschafts-und Sozialpolitik, die Europa in die aktuelle Krise getrieben haben, kritisieren. Wir wollen eine europaweite Debatte über eine alternative Politik initiieren, basierend auf folgenden sechs Punkten.

1. Die Austeritätsmaßnahmen müssen zurückgenommen und die drastische Konditionalität, welche den Ländern für Hilfe aus dem Rettungsfond auferlegt wurde, muss radikal geändert werden, angefangen mit Griechenland. Die gefährlichen Zwänge des Fiskalpakts müssen abgeschafft werden, so dass die Länder öffentliche Ausgaben, soziale Sicherungssysteme, Löhne und Gehälter schützen können, während die EU eine stärkere Rolle im Sinne der Stimulierung der Nachfrage und der Förderung der Vollbeschäftigung spielen muss, um einen nachhaltigen und gerechten Fortschritt zu ermöglichen. Die europäische Politik soll die aktuellen Handelsbilanzdefizite durch Zwangsmaßnahmen auch für Exportüberschussländer reduzieren.

2. Die Politik muss eine Umverteilung zur Verringerung der Ungleichheit und eine Harmonisierung der Fiskalpolitik fördern. Sie soll dem Steuerwettbewerb ein Ende setzen und die Steuerlast weg von der Erwerbsarbeit, hin zu einer höheren Besteuerung von Gewinnen und Reichtum verschieben. Die Politik muss den öffentlichen Dienst und die sozialen Sicherungssysteme begünstigen. Die Erwerbsarbeit und die Tarifautonomie müssen geschützt werden, denn Arbeitsrechte sind ein zentraler Bestandteil der europäischen demokratischen Rechte.

3. Die europäische Finanzkrise, gekennzeichnet durch die Wechselwirkung zwischen Bankenkrise und Staatsschuldenkrise, muss angegangen werden. Die EZB muss als lender of last resort auf dem Staatsanleihen-Markt agieren. Das Problem der Staatsverschuldung muss durch die gemeinsame Verantwortung der Länder des Euroraums gelöst werden. Die Schulden sollen einer öffentlichen Prüfung (Audit) unterzogen werden.

4. Eine radikale Schrumpfung des Finanzsektors ist erforderlich, mit einer Finanztransaktionssteuer, der Abschaffung der spekulativen Finanz und der Kontrolle über Kapitalbewegungen. Das Finanzsystem muss unter soziale Kontrolle gebracht werden. Es muss so verwandelt werden, dass es nachhaltige – in Bezug auf Soziales und Umwelt –, produktive Investitionen und Beschäftigung fördert.

5. Eine fundamentale ökologische Transition bietet einen Ausweg aus Europas Krise. Europa muss seinen ökologischen Fußabdruck und seinen Verbrauch von Energie und natürlichen Ressourcen reduzieren. Die europäische Politik muss neue Wege der Produktion und des Verbrauchs fördern. Ein groß angelegtes, Nachhaltigkeit förderndes Investitionsprogramm kann hochqualifizierte Arbeitsplätze schaffen, Kapazitäten in neuen innovativen Bereichen erweitern und vielfältige Möglichkeiten schaffen, auf lokaler Ebene zu handeln, vor allem in Bezug auf die öffentlichen Güter.

6. Demokratie muss auf allen Ebenen in Europa erweitert werden. Die EU muss reformiert werden und die Machtkonzentration zugunsten weniger Staaten und Institutionen – die von niemandem zu Rechenschaft gezogen werden können –, welche in der Krise stattgefunden hat, muss rückgängig gemacht werden. Das Ziel ist eine größere Partizipation der BürgerInnen, eine größere Rolle des Europäischen Parlaments, eine viel stärkere demokratische Kontrolle über alle wichtigen Entscheidungen.

Angesichts der Gefahr eines Zusammenbruchs braucht es einen Kurswechsel in der europäischen Politik. Ein Bündnis zwischen Zivilgesellschaft, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und progressiven politischen Kräften ist erforderlich, um Europa aus der von Neoliberalismus und Finanzwelt verursachten Krise zu führen. Das European Progressive Economists Network versucht, zu diesem Kurswechsel beizutragen.“

Nähere Informationen:
anotherroadforeurope@gmail.comatterres@gmail.com

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