Vernunft und Rationalität sollen nichts mehr gelten, Solidarität ist sowieso out. An ihre Stelle tritt Nationalismus.
Hier der Versuch einer Übersicht der Ursachen und Perspektiven:
1. Die Wahl wurde durch Resignation der großen Mehrheit entschieden
Zunächst: eine überwältigende Unterstützung für den Trump-Kurs – wie sie jetzt von Medien à la Kronenzeitung beschworen wird – sähe anders aus: Die USA haben derzeit 325 Millionen Einwohner. Weniger als 59 Mio. haben Trump gewählt, das sind 23,8 % der Erwachsenen. Abgesehen davon, dass Clinton absolut etwas mehr WählerInnen hatte – und auch abgesehen davon, dass sie keine gute Alternative war –, der wesentliche Faktor für Trump war offenbar, dass ein größerer Teil, der von Obama mit „yes we can“ noch mobilisiert werden konnte, sich für diese Wahl gar nicht mehr registrieren ließ und daheim blieb. „Trump hat gewonnen, weil er weniger verloren hat als Clinton“ (jeweils im Vergleich zu den Parteikandidaten der letzten Präsidentschaftswahl).[1].
Es haben also immer mehr – und das ist wirklich die übergroße Mehrheit – resigniert und sehen offenbar im bestehenden politisch-wirtschaftlichen System keine Perspektive, für die sich eine Stimmabgabe lohnen würde. Das sind fast doppelt so viele Menschen, als für Trump gestimmt haben. Viele, die noch in Obamas „Change“-Versprechen vertrauten, wurden schwer enttäuscht. Manche konnten von Trump gewonnen werden, die meisten haben offenbar die Hoffnung verloren. Nun war Obama zwar mit einem ihm völlig feindlichen Kongress konfrontiert; aber er hätte für Reformen auch seine ursprünglichen Unterstützer mobilisieren können, hat er aber nicht. Er ging über die Institutionen nicht nur den Weg der Anpassung, sondern führte etwa auch imperialistische Politik weiter, am anschaulichsten z. B. Libyen.
2. Wer hat Trump ins Amt gebracht?
Eine Mär ist, dass die „Armen“ Trump ins Amt gebracht hätten. Also es gilt nur teilweise Brechts Spruch: „Nur die dümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selber“. In wesentlichen Bereichen gibt es mit zunehmenden Einkommen mehr Zustimmung zu Trump. Im Gegensatz zu manchen, die das Wort „Arbeiter“ oder „Arbeiterklasse schon seit ewig für schmutzig halten oder es nicht verwenden, und die jetzt triumphierend auf eine große Unterstützung von Seiten der ArbeiterInnen für Trump hinweisen, ist die Sache komplexer und es stellte sich heraus, dass Trump bei den Wählern ab einer bestimmten Einkommensklasse aufwärts durchgehend eine klare Mehrheit hatte – also bei der Mittel- und Oberschicht“[2].
Bemerkenswert ist die Analyse der Presse [3], wonach es stimme, dass die FP zur neuen „Arbeiterpartei“ geworden sei: „Aber die FPÖ ist heute genauso eine Partei der Mittelschicht, teilweise auch der Oberschicht“.
3. Superreiche als Krisengewinnler und Stagnation bei Otto NormalverbraucherIn
Natürlich ist die Weltwirtschaftskrise ab 2008 dazu der allgemeine Hintergrund, und die radikale Umverteilung nach oben bei langjährigem Stagnieren der Einkommen unten und in der Mitte der konkrete Hintergrund.
Die Aktien der Kuponschneider sind wieder im Höhenflug, die Häuserpreise sind ähnlich hoch wie vor der Krise, und das Verhältnis eines Arbeitereinkommens zu dem eines großen Firmenbosses (CEO) beträgt heute 1: 300 (1980 war es vor Reagan noch 1:30).[4].
4. Lehren gezogen: Erstmals nennenswerte linke Gegenbewegung in USA
Wichtig und kaum zu überschätzen ist, dass mit der aus der Bewegung für Bernie Sanders hervorgegangenen OUR REVOLUTION erstmals nach vielen Jahrzehnten in den USA eine nennenswerte linke Gegenbewegung entstanden ist und beträchtliches Potential hat. Bei wichtigen Gruppen wie Jungen und Frauen schnitt Trump auch bei dieser Wahl schwach ab, und immerhin gibt es Demos gegen die Amtsübernahme.
Obwohl Sanders vielen Umfragen gemäß deutlich höhere Chancen gegen Trump gehabt hätte, hatte das Establishment der Demokratischen Partei nicht nur gegen Sanders entschieden, sondern machte auch Sanders gegenüber kaum Zugeständnisse inhaltlicher oder personeller Art, die zur stärkeren Mobilisierung führen hätten können. Offenbar waren ihnen die ungeteilte Macht und die Bedienung von Lobbys wichtiger.
5. Verrottetes System und gegenseitige Befeuerung der Nationalisten
Im Gegensatz zu den Verrenkungen der unbeirrten Hymnensänger auf die „amerikanischen Demokratie“ spiegelt die Trump-Wahl die Verrottetheit des US-Systems wieder, wenn Unwissenheit, Lügen, Derbheit und Hass die (negative) Auslese bestimmen.
Wenngleich eine Allianz von Russland, Groß-Britannien, Frankreich, Polen, Ungarn, Türkei, usw. logischerweise nur prekär sein kann, befeuern sich diese derzeit gegenseitig.
6. Wird nicht so heiß gegessen?
Trumps Aussagen vor und auch nach der Wahl sind widersprüchlich; manche Ansagen werden jetzt als „Wahlkampfrhetorik“ hingestellt. Er kann tatsächlich manches „nicht so heiß essen“. Der Meister selbst gab nach der Wahl zu, dass er einiges „nicht wirklich durchdacht“ habe.[5]
Aber der unbestrittene Punkt ist, dass er unberechenbar ist, und eventuell umgekehrt auch noch radikaler vorgehen kann. Wobei ja zur Zerrüttung genügen würde, wenn er nur ein Fünftel seiner Ansagen umsetzen würde. Und um bei seinen Fans nicht völlig unglaubwürdig da zu stehen, wird er einiges sehr wohl umsetzen, weil er die Mittel dazu hat.
Wenn Michael Moore den Trump-Durchmarsch als „protofaschistisch“ charakterisiert, so ist insofern was dran, als sicher die reale Gefahr besteht, dass mangels „Erfolg“ die Schuld auf Sündenböcke geschoben werden kann und sich die Trump-Bewegung weiter radikalisiert.
7. Ein konzilianter Trump?
Zutreffend ist, dass durch republikanische Mehrheiten im Kongress und Repräsentantenhaus Trump unvergleichlich mehr durchsetzen kann, als Obama konnte oder hätte können. In dieser Position der Stärke kann er leicht einen konzilianten Eindruck machen und nicht alles schnell durchsetzen wollen; abgesehen davon, dass er manches sowieso nicht auf einen Schlag machen kann.
Die jetzt für das Trump-Personal genannten Personen sind jedenfalls ein Gruselkabinett, das die unsäglichen Reagan- und Bush-Leute als Gelehrte ausschauen lässt.
8. Konjunktur für Verharmloser, Weißwäscher und Anpassler
Es sind verschiedene Typen von Reaktionen auf Trump festzustellen:
- Begeisterung: Rechtsrechte in Europa, FP und „Kronenzeitung“
- Verharmlosung, Weißwaschung und Anpassung: größerer Teil der Medien [6]
- Schockstarre – Resignation darüber, dass ein Trump-Typ Erfolg hat
- Klare Erkenntnis: auch etwa Anneliese Rohrer [7] oder Hans Rauscher [8] warnen vor der „Beschwichtigungstruppe“
- Offensiver Widerstand
Wenngleich nach verschiedenen Medien Trump in Österreich nur vergleichsweise geringe Unterstützung hat (Laut unterschiedlichen Medienberichten hätten ihn nur 5 % sicher gewählt, um die 25 % könnten es sich vorstellen), sind bei den Medien die Begeisterten, Verharmloser und Anpassler stark vertreten.
Das Ausmaß des von Trump ins Auge gefassten Abgrunds ist beeindruckend, insbesondere wenn man es in der Gesamtheit betrachtet:
9. Radikale Umverteilung nach oben
- Radikale Senkung von Unternehmens- und Reichensteuern, Abschaffung -der Erbschaftssteuer
- Abbau von Sozialprogrammen
- Rückbau der Krankenversicherung
- D.h.: Weitere Umverteilung zu den obersten 1%; dadurch Verstärkung von Krisentendenzen, da genau diese Polarisierung eine wesentliche Ursache für Krise und Stagnation war bzw. ist
10. Umwelt und Klima
Die Rücksichtslosigkeit des „Trumpismus“ gegenüber der Umwelt ist genauso radikal ausgeprägt wie jene gegenüber Menschen:
- Den Klimawandel als eine „chinesische Erfindung, um die US-Industrie zu schädigen“ zu charakterisieren, ist ja nicht weit von mittelalterlichem Aberglauben, aber leider mit katastrophalen Folgen. Wahrscheinlich ist für die Menschheit das der langfristig folgenreichste Faktor dieser Wahl, die Klimawandelleugnung. Denn es gibt nur noch ein kurzes „Fenster“ von etwa 10 Jahren, um globale effiziente Maßnahmen zu setzen, damit der Klimawandel mittelfristig nicht außer Kontrolle gerät. Trump kann zwar das – sowieso lahme und letztlich unverbindliche Pariser Klimaabkommen – erst in 4 Jahren wirklich verlassen. Aber es genügt, dass er es ignoriert.
- Zwar ist die Sache nicht entschieden, weil immerhin doch die Mehrheit der US-AmerikanerInnen den Klimawandel für real hält und für Maßnahmen eintritt, doch nun wird es wirklich eng: Noam Chomsky sagt, dass die Republikanische Partei durch ihre Ignoranz des Klimawandels und nun durch die weitestgehende Blockade einer Klimapolitik die „most dangerous organization in world history“ geworden ist: „The last phrase may seem outlandish, even outrageous. But is it? The facts suggest otherwise. The Party is dedicated to racing as rapidly as possible to destruction of organized human life“.[9]
- Unter dem Vorwand von Beschäftigung tritt Trump radikal für eine erneute Forcierung der Kohle, für Fracking und umstrittene Pipelines – somit eine Beschleunigung vor dem Abgrund ein; obwohl die USA in geschichtlicher Betrachtung bei 4 % der Bevölkerung über 20 % Anteil an der Klimawandelverursachung haben, und daher die aktivste Klimapolitik betreiben müssten.
- Die Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens würde eine destruktive Dynamik erzeugen, andere Kräfte ebenso motivieren dieses zarte Pflänzchen zu zertreten, und Staaten, die den Klimawandel kaum verursacht haben, aber massiv davon betroffen sind in schwierigste Situationen bringen. – Diverse Midi- und Mini-Trumps in Europa sind mit Trump in der Klimawandel-Leugnung sowieso einig, und erhalten hier Auftrieb.
- Es ist auch geplant diverse US-Umwelt-Einrichtungen völlig ins Abseits zu stellen bzw. Obskurantisten dafür zuständig zu machen.
11. Was sind die Ursachen für die massiven Probleme der ArbeiterInnen in den USA?
Wenngleich die USA derzeit bezüglich Beschäftigung offiziell besser dastehen als die EU, sagt das wenig über die Struktur der Arbeitsplatz, der Zunahme prekärer Beschäftigung und die Löhne.
Auch hier werden die AusländerInnen und andere Länder als die Schuldigen abgestempelt und nicht die Dominanz des großen Kapitals über die internationale Arbeitsteilung.
Zunächst ist es ein Mythos, dass durch die „Globalisierung“ die USA insgesamt Arbeitsplätze signifikant verloren hat. Das gravierende Problem ist allerdings, dass Arbeitsplätze mit weniger Qualifikationen verloren gingen und neue in ganz anderen Sektoren entstanden sind, und die neuen Jobs mit ganz anderen, meist mit mehr Qualifikationen verbunden waren , ohne dass hier ein Übergang befördert wurde. Und in manchen neuen Dienstleistungsbranchen werden auch sehr geringe Löhne bezahlt.[10]
Der Rückgang von Arbeitsplätzen in der besser bezahlten Industrie hat mehrere Gründe, u.a.:
- Die „Finanzialisierung“, eine Überdehnung des Finanzsektors im neoliberalen Glauben, dass Spekulationen Werte schaffen.
- Den bekannten generellen Trend zur „Tertiärisierung“, zum dritten Sektor der Dienste.
- Die von den Neoliberalen durchgeboxte unregulierte Globalisierung mit der Folge des konsequenten Ausspielens verschiedener Standorte und der jeweiligen Beschäftigten bei maximaler Gesamtausbeutung als Ziel.
Die bekannte Ökonomin Mariana Mazzucato:„Trump hat Amerikas Probleme auf die Ausländer geschoben, auf schlechte Handelsabkommen und ein unklares Konzept einer ‚manipulierten Wirtschaft‘. Den wahren Grund für die wachsende Ungleichheit hat er verschwiegen. Das neoliberale Modell ist gescheitert. Die Gehälter stagnierten und der Lebensstandard wurde allein durch die Verschuldung der Konsumenten aufrechterhalten.“[11]
12. Mit Handelskriegen gegen China und andere?
Der Handel mit China erklärt – unter diesen Bedingungen – grob ein Viertel des Beschäftigungsrückgangs in der Industrie.[12]
Trump kann etwa relativ bald hohe Zölle (45 % hat er angekündigt) für Importe aus China einführen. Allerdings würde das schlagartig die Lebenshaltungskosten auch seiner WählerInnen verteuern und zu umgekehrten Maßnahmen der anderen Seite führen. Nicht zuletzt besitzt China mit bis zu 3 Billionen $ (genau weiß man das nicht) in riesigem Ausmaß US-Staatsanleihen; wenn diese verstärkt abverkauft werden, kann das US-Finanzsystem ins Wanken geraten. Daher ist hier eher ein Geplänkel absehbar, denn hier hat Trump keine sehr guten Karten und China hat auch absolut kein Interesse an Zuspitzungen (wenngleich es dort angeblich Vorbereitungen mit Gegenstrategien gibt).
Nach Untersuchungen des deutschen ifo „würde ein Handelskrieg in erster Linie den Vereinigten Staaten selbst schaden“. Die US-Unternehmen würden von Boeing-Flugzeugen bis zu US-Autos und iPhones Rückschläge erleiden. Im maximalen Fall könne die US-Wirtschaftsleistung um 9 % fallen. Am meisten würden allerdings Kanada und Mexiko getroffen.[13]
Auch dass TTIP bis auf weiteres wahrscheinlich auf Eis gelegt wird, und das pazifische Handelsabkommen TTP nicht oder nur teilweise wirksam werden wird, ist zunächst ein positiver Nebeneffekt; aber im Sinne von Make America Great Again ist nicht zu erwarten, dass das US-Kapital seine Interessen nicht anders durchzusetzen versucht.
13. Schafft Trump eine Arbeitsplatzschaffung?
Mariana Mazzucato erklärt Trumps von seinen Anhängern hochgelobtes Geschäftsmodell bündig: „Trump hat sein Geld nicht mit Geschäften gemacht, die Wert geschaffen haben. Er hat Tricks angewandt, Steuerlöcher ausgenützt, und wenn er am Ende war, seine Lieferanten nicht bezahlt.“[14]
Sollte er solche Methoden nun auf die USA insgesamt anwenden, ist die Frage, wer für absehbare Pleiten letztlich aufkommen wird. „Wenn er dabei immer noch anti-staatlich argumentiert, wird es auch nichts helfen, in ein paar Brücken und Straßen zu investieren. Er braucht eine dynamische industrielle Strategie“.[15] Das heißt, nur eine umfassende Politik mit einer starken Rolle des Staates, der für Trump und Co aber in der Wirtschaft ein Gottseibeiuns ist, könnte hier einen Umschwung herbeiführen.
Zur Einschätzung der Chancen einer Redindustrialisierung der USA empfiehlt es sich, Willy Shih [16] zu lesen: Er kommt bei positiver Haltung zu dieser Orientierung zum Schluss, dass in den USA – auch nur bei beträchtlichen Anstrengungen – die Industriequote stabilisiert, aber nicht erhöht werden kann. Zunächst gebe es zuletzt nur mehr geringeres Outsourcing, da das Gefälle zu China geringer geworden ist („end of labor arbitrage“), aber es werde auch keine relevante Rückkehr in die USA erfolgen. Ein Grund neben dem genannten grundlegenden Trend zum Dienstleistungssektor sind umfassende Verluste an „industrial commons“ (das sind Infrastruktur, eingespielte Beziehungen mit Zulieferern und Kunden, spezielle Qualifikationen und Erfahrungen sowie Ausbildungsstätten), die nur mittelfristig wieder aufgebaut werden können.
14. Verantwortungslosigkeit bezüglich Atomwaffeneinsatz
Am wenigsten absehbar, aber auch am gefährlichsten ist Trump im internationalen Bereich. Die – schon angeführte – Entsorgung des Klimawandels ist eines der wenigen konkreten Ziele. Sonst gibt es widersprüchliche Aussagen, die einfach auch auf mangelndem Grundwissen beruhen dürften. Aber das „Make America Great Again“ zusammen mit der Positionierung von extremen Reaktionären verheißt nichts Gutes.
Ein Spiel mit dem Atomkrieg „Wozu haben wir Atomwaffen, wenn wir sie nicht benutzen?“ kann schnell ungeahnte Folgen haben; die nach Jahrzehnten nun plötzlich im Raum stehende atomare Bewaffnung von Verbündeten der USA Japan, Südkorea oder Saudi-Arabien ebenfalls. In Ostasien könnte sich dadurch die ohnehin angespannte Lage deutlich verschärfen.
15. Aufrüstung und Armeeausbau: Ende von Interventionen oder Panikattacken?
Die angekündigte drastische Aufrüstung mit Waffen und die Aufstockung der US-Armee, ausgehend von einem schon schier unglaublichen Vernichtungsniveau, kann – außer für Teile der US-Wirtschaft – nur negative Folgen haben. Dies ist auch im Zusammenhang mit einem sinnvoll erscheinenden Rückzug aus Europa oder dem Hinweis auf angeblich weniger Interventionen zu sehen.
Doch Trump hat in den Raum gestellt, Öl aus dem Irak zur Abgeltung der Interventionskosten zu requirieren. Auch für die Stationierung der US-Truppen in Europa – samt Atomwaffen – wären Zahlungen fällig zu stellen; den monströsen Mauerbau will er Mexiko in Rechnung zu stellen.
Ist es vorstellbar, dass ein Mann mit solch bizarren Zugängen in den heißen Konflikten für konstruktive Lösungen sorgen wird, und ob er sich wirklich von Clintons Falkenpolitik unterscheiden wird.
Unter „Friedensnobelpreisträger“ Obama bombardiert das US-Militär derzeit immerhin 7 Länder [17] in von den USA wesentlich mit verursachten Konflikten: Irak, Syrien, Jemen, Libyen, Afghanistan, Pakistan, Somalia. Sie geben an, Feuerwehr in von ihnen selbst verursachten Bränden zu spielen.
Trumps Geschäftsmodell der Drohungen und Einschüchterungen, des Schwindelns und Betrügens wird sich jedoch auf der internationalen Ebene bei den heutigen Kräfteverhältnissen nicht mehr durchgehend anwenden lassen. Man kann nur hoffen, dass er das einsehen wird und dies nicht zu Panikattacken führt. In diesem Sinn ist die Rückkehr zur „unilateralen Politik“ der Bush-Ära, zur Abwertung der Abstimmung in der NATO und Ähnlichem nicht wirklich ein Fortschritt.
Trump hat angekündigt, die von Obama eingeleitet Minderung der Isolierung Kubas zu stoppen. Kuba ist zu recht alarmiert.
Wie bei der neuen Rechten in Europa ersetzt die Islamfeindlichkeit den früheren Antisemitismus. Logisch ergibt sich auch dadurch eine enge Achse mit den ganz Rechten in Israel und deren friedensgefährdender Politik. Folgerichtig möchte Trump die Entspannung mit dem Iran torpedieren.
Ob aus Opposition zur bisherigen festgefahrenen US- und EU-Politik, die an uralten Bedrohungsbildern festhält oder aus welchen Gründen immer – das einzige tatsächlich eher positiv zu Bewertende scheint die mögliche Entkrampfung mit Russland, die auch die längst notwendigen Impulse für Europa geben kann.
16. Ein kompetenter Anti-Establishment- Kämpfer?
- Trumps ganze Kompetenz leitet sich im Immobilien- und Kasinogeschäft ab, wobei die angewandten Methoden auch für amerikanische Verhältnisse grenzwertig waren.
- Trump hat, wie schon angedeutet, 4 Megapleiten hingelegt und so durch Entschuldung Kapital akkumuliert
- Medien verleihen ihm ein Anti-Establishment-Image, obwohl er genau aus dem Establishment kommt und als Milliardär ein provokantes Luxusleben demonstriert.
- Für ihn ist sind „korrupte Medien“ und das „korrupte Establishment“ dadurch definiert, dass sie ihn nicht unterstützen. Dabei gab es ja nie EIN Establishment, sondern immer verschiedene Sektoren mit unterschiedlichen Interessen und harten Kämpfen.
- Trump bezeichnet sich als „smart“, weil er trotz Milliardenimperium seit 20 Jahren praktisch keine wesentlichen Steuer bezahlt hat.
- Trump hat nicht vor, sich von seinem verschachtelten Firmenimperium zu wirklich zu trennen.[18]
17. Hetze, Chauvinismus und Demagogie als notwendige Ablenkung
Von diesem auch im aktuellen System extremen und bis vor kurzem kaum als akzeptabel vorstellbaren Verhalten wird laut, in bisher kaum gekannter Intensität abgelenkt durch:
- Rassistische Hetze, Abwertung von Minderheiten oder Behinderten (über 10 Millionen oder jetzt 3 Millionen Latinos rauswerfen)
- Mauerbau und Grenzabschottung
- Abwertung des Islam
- Bekannte Abwertung von Frauen
- Brachiale Einschüchterung von Kritikern
- Gleichzeitig soll etwa die individuelle Bewaffnung möglichst vieler forciert werden
18. Was tun? Höchste Zeit für einen neuen Aufbruch
Im Vatikan wird bekanntlich dafür gebetet, dass Gott Trump „erleuchten“ möge. Das kann sicher nicht schaden. Konkreter zieht Naomi Klein Konsequenzen: „Let’s get out of shock as fast as we can and build the kind of radical movement that has a genuine answer to the hate and fear represented by the Trumps of this world. Let’s set aside whatever is keeping us apart and start right now.“[19]
Wenn die Wahl durch Resignation der großen Mehrheit entschieden wurde, stellt sich die große Frage, wie diese große Mehrheit wieder Perspektiven bekommen kann; wie kann Hoffnung für einen neuen Aufbruch verstärkt werden?
Nur Trump (oder Norbert Hofer) abzuwehren, ist auf Dauer nicht ausreichend. Es ist höchste Zeit, an einer echten Alternative zu arbeiten. Wie erwähnt, ist die Entwicklung um Bernie Sanders oder Jeremy Corbyn ermutigend. Auch in Österreich.
19. Grundfrage nach globaler Solidarität stellen und klären
Eine Grundfrage einer linken Politik, die nach globaler Solidarität und einer Strategie für einen globalen Ausgleich der riesigen Wohlstands- und Einkommensunterschiede strebt („Wacht auf, Verdammte dieser Erde“), ist leider seit längerem real in den Hintergrund getreten. Und – nüchtern betrachtet – gibt es jenseits allgemeiner Prinzipien und Einzelvorschläge auch beträchtlichen Nachholbedarf von der Theorie bis zu stimmigen und praktisch anwendbaren Konzepten. Während das Kapital international im Wesentlichen ähnliche Profitraten hat, sind die Löhne und Lebensverhältnisse global enorm unterschiedlich. Und das ist spätestens jetzt mit der Flüchtlingsfrage und dem Aufstieg der Rechtsrechten mit Wucht auf die unmittelbare Tagesordnung gekommen. Es geht um nichts weniger als die Ausformung von Solidarität und der schrittweisen Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, ja der Menschenrechte – „Die Internationale erkämpft das Menschenrecht“.
20. Österreich als nächster Dominostein?
Alexander Van der Bellen ist recht zu geben: Es besteht wirklich insbesondere mit Trump, der von H.C. Strache und allen Geistesverwandten in Europa enthusiastisch begrüßt worden ist, nun die reale Gefahr, dass Österreich der nächste Dominostein und das erste westeuropäische Land wird, wo Rechtsdemagogen mit der bevorstehenden Präsidentschaftswahl und der wahrscheinlich bald folgenden Nationalratswahl an die Schalthebel gelangen. Aber es besteht nach Brexit und Trump auch die Hoffnung, dass viele nun den Abgrund erkennen. Leider steht es wirklich 50:50, und es hängt daher auch von uns allen ab.
Eine Unterstützung von Van der Bellen heißt auch nicht, seine Positionen zu allen Fragen zu unterstützen. Hauptsächlich geht es um die Verhinderung des Durchbrechens der Dämme nach ganz rechts.
Und auch unsere Wahl wird wahrscheinlich dadurch entschieden, wer mehr ermutigen und mobilisieren kann.
Anmerkungen:
- Die Presse, 10.11.16
- Die Presse, 12.11.16
- Die Presse, 12.11.16
- Sozialismus 1/16, S. 5
- Die Presse, 11.11.16.
- Die Presse, 11.11.16: „Give Trump a chance“
- Die Presse
- Der Standard
- http://www.truth-out.org/opinion/item/38360-trump-in-the-white-house-an-interview-with-noam-chomsky
- Die Presse, 13.11.16
- Profil 46/16
- Sozialismus 11/16, S. 9
- http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/5118453/Was-passiert-wenn-die-USA-einen-Handelskrieg-anzetteln?from=newsletter&xtor=EPR-20003-%5brss-newsletter%5d
- Profil 46/16
- Mariana Mazzucato, Profil 46/16
- Etwa “The Re-industrialization of the United States?” (Wirtschaftspolitische Blätter 2/2013).
- Presse, 11.11.16
- Die Presse, 11.11.16
- The Guardian, 11.9.16: https://www.theguardian.com/commentisfree/2016/nov/09/rise-of-the-davos-class-sealed-americas-fate?utm_source=The+Leap&utm_campaign=f518efc7e5-EMAIL_CAMPAIGN_2016_11_15&utm_medium=email&utm_term=0_d6aa0a6f00-f518efc7e5-230852049