Stacheldraht, Kooperation mit dubiosen Regimen, Abschottung, Abschiebewahn und selbst die Diskussion Mauern an den EU-Außengrenzen zu errichten – all das bestimmt den Diskurs über die europäische Asyl- und Migrationspolitik. Es wird eine neue Ära in Europa eingeleitet, die mit dem Recht auf Asyl nicht mehr viel zu tun hat. Doch das dürfen wir nicht zulassen, denn der Umgang mit Asyl und Migration ist kein Nebenthema, es widerspiegelt die Art und Weise unseres Zusammenlebens und der Demokratie auf unserem Kontinent.
Im September 2020 präsentierte die EU-Kommission den Asyl- und Migrationspakt als einen „Neubeginn” für die Migrations- und Asylpolitik in der Europäischen Union. Dieser Pakt verspricht fälschlicherweise einen Neuanfang in der europäischen Migrationspolitik, aber in Wirklichkeit verstärkt er die derzeit gescheiterte Politik, indem er sich auf Abschreckung, Abschottung, die Stärkung der Außengrenzen der EU, und die Beschleunigung von Verfahren an den Grenzen auf Kosten des Rechts auf ein faires und individuelles Verfahren konzentriert. Der Vorschlag, der sich stark auf Rückführung konzentriert, wird zweifellos zu mehr Zwischenfällen extremer Gewalt in Drittländern, an den Außengrenzen der EU und auf dem Gebiet der EU führen – zum Nachteil derjenigen, die versuchen, ihr Recht auf Asyl in Europa auszuüben. Neben den rechtsextremen Kräften sind es die Sicherheitsfirmen, die am meisten von der Stärkung dieser Politik profitieren: von den Baufirmen, die Zäune bauen, über die See- und Verteidigungsunternehmen, die Schiffe, Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen bereitstellen, bis hin zu den Sicherheitsfirmen, die mit der Entwicklung biometrischer Systeme in der EU und in Drittländern beauftragt werden.
Ein wenig Hoffnung blieb jedoch noch, dass sich das EU-Parlament, wie schon in der vorangegangenen Legislatur eine Positionierung vorlegt, die die Logik des Kommissionvorschlags umdreht und stattdessen einen Vorschlag für eine solidarische und humane Migrationspolitik unterbreitet, der eine obligatorische Verteilung der Menschen auf alle Mitgliedsstaaten vorsieht. Diese Hoffnungen wurden aber mehr als enttäuscht. Im März 2023 stimmte der Innenausschuss des EU-Parlaments über seine Positionierung zum Migrationspakt ab – die Positionen sind weit entfernt davon, progressiv zu sein. Die Vorschläge werden aktuell zwischen den Mitgliedstaaten diskutiert und die schwedische Ratspräsidentschaft strebt eine Einigung beim Ratstreffen der EU-Innenminister:innen am 8. Juni 2023 an. Denn der Druck ist hoch: es soll eine Einigung mit dem Europaparlament noch in dieser Legislatur, also vor der Europawahl im Frühjahr 2024, zustande kommen.
Ein wenig Hoffnung blieb jedoch noch, dass sich das EU-Parlament, wie schon in der vorangegangenen Legislatur eine Positionierung vorlegt, die die Logik des Kommissionvorschlags umdreht und stattdessen einen Vorschlag für eine solidarische und humane Migrationspolitik unterbreitet, der eine obligatorische Verteilung der Menschen auf alle Mitgliedsstaaten vorsieht. Diese Hoffnungen wurden aber mehr als enttäuscht. Im März 2023 stimmte der Innenausschuss des EU-Parlaments über seine Positionierung zum Migrationspakt ab – die Positionen sind weit entfernt davon, progressiv zu sein. Die Vorschläge werden aktuell zwischen den Mitgliedstaaten diskutiert und die schwedische Ratspräsidentschaft strebt eine Einigung beim Ratstreffen der EU-Innenminister:innen am 8. Juni 2023 an. Denn der Druck ist hoch: es soll eine Einigung mit dem Europaparlament noch in dieser Legislatur, also vor der Europawahl im Frühjahr 2024, zustande kommen.
Während Europa über eine „neue” Asyl- und Migrationspolitik streitet, sterben weiter täglich Menschen an unseren Grenzen. Allein von Januar bis März 2023 starben so viele Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer wie seit sechs Jahren nicht mehr – 441 Tote, noch mehr gelten als vermisst. Eine aktuelle Studie zeigt, dass mindestens 225.533 Push-Backs im Jahr 2022 an den europäischen Außengrenzen stattfanden. Das sind etwa 617 pro Tag und zeigt das Ausmaß, in dem die europäischen Mitgliedstaaten illegale Praktiken anwenden, um Menschen ihren Zugang auf das Recht auf Asyl zu verwehren.
Die Zivilgesellschaft, die Menschen auf der Flucht unterstützt und die brutalen Rechtsverletzungen der Mitgliedstaaten dokumentiert, wird, so wie Geflüchtete, selbst zunehmend kriminalisiert. Aufklärungsarbeit wird faktisch verhindert. Selbst konnte ich das erleben, als wir im September 2022 nach Melilla reisten. Am 24. Juni 2022 starben dort über 23 Schutzsuchende und mindestens 76 wurden schwer verletzt bei dem Versuch, von Marokko in die spanische Enklave Melilla zu gelangen. Als wir im Zuge unserer Aufklärungsarbeit auch auf die marokkanische Seite wollten, verweigerten die marokkanischen Behörden uns die Einreise. Marokko ist mit insgesamt 500 Millionen Euro der zweitgrößte Empfänger von EU-Mitteln im Zusammenhang mit Migration.
Ein weiteres besonders schlimmes Beispiel ist Griechenland. Auf einer offiziellen Ausschussreise u.a. auf die Insel Samos wurde in aller Ruhe von der griechischen Grenzpolizei gemeinsam mit schwarz maskierten Schergen Jagd auf Menschen gemacht, die mit dem Boot aus der Türkei kamen. Anwälte und Hilfsorganisationen wurden beschuldigt, kriminelle Sache mit Schleusern zu machen. Sogar mich fragte der rechtsradikale griechische Innenminister, ob ich mit Schleusern paktieren würde. Die Rettung von Menschen wird immer mehr zu einem kriminellen Delikt umgedeutet.
Europas Grenzen töten. Und doch schockt das immer weniger Leute in der aktuellen europäischen Asyl -und Migrationspolitik. Eine Politik, die mit zweifelhaften Methoden und undemokratischen Drittstaaten operiert und kooperiert und die mit ihrer Grenzschutzagentur Frontex Menschenrechtsverletzungen toleriert und deckt. All das, nur um Menschen auf der Flucht die Einreise zu erschweren oder besser: gleich ganz zu verhindern. Eine Politik, die Schutzsuchende an den Außengrenzen in Lagern regelrecht verrotten lässt. Die europäische Migrationspolitik hat nur noch ein Ziel: das Recht auf Asyl – ein universelles Menschenrecht – sukzessive auszuhebeln. Vergessen wird dabei, dass das Recht auf Asyl eine Lehre aus der brutalen Verfolgung von Millionen Menschen durch den deutschen Faschismus gewesen ist. Viele haben nirgendwo Asyl gefunden, damit sollte ein für alle Mal Schluss gemacht werden. Und was geschieht jetzt? Wohin geht die Reise Europas?
Wir müssen um unserer selbst Willen das Recht auf Asyl mit aller Kraft verteidigen. Wer dieses Recht kippt, macht Menschen vogelfrei. Der Umgang mit Asyl und Migration ist kein Spartenthema, er sagt aus, wie wir auf diesem Kontinent leben wollen, welche Prinzipien unser Zusammenleben leiten sollen. Insofern gehört diese Frage zum Kern der Demokratie.
Es gilt Bündnisse zu schmieden mit denen, die sich für eine andere Europäische Union stark machen. Eine EU, die dem Geist Altiero Spinellis gerecht wird, des Kommunisten, der als Gefangener in Ventotene die große Idee der Vereinigten Staaten von Europa entwickelte, einem Europa der Menschlichkeit und Solidarität.
Eine EU, die sich auf ihre demokratischen, humanistischen Werte besinnt und ein für alle Mal die menschenrechtsfeindliche Abschottungspolitik beendet. Wenn wir jetzt nicht handeln, könnte das Recht auf Asyl in Europa tatsächlich Geschichte werden.