Die Studie befasst sich mit der politischen Ökonomie der EU und richtet den Blick auf die Dynamiken zwischen ihrem Zentrum und den Peripherien.
Sie beinhaltet eine vergleichende Analyse und nutzt interdisziplinäre Ansätze aus den Bereichen Wirtschaft, Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichte. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Zusammenspiel zwischen Wirtschaftssystem, Politik und Regierung, um aufzuzeigen, wie sie einander beeinflussen. Auch ideologische und symbolische Aspekte werden hierbei berücksichtigt. Unter dem Blickwinkel der Dynamiken zwischen Zentrum und Peripherien werden ungleiche Machtverhältnisse bzw. Asymmetrien (auf wirtschaftlicher, politischer, ideologischer Ebene) sowie kritische Abhängigkeiten in der EU analysiert. Im Mittelpunkt der Studie stehen dabei die beiden Euro-Peripherien Südeuropa und Mittel- und Südosteuropa. Insgesamt 17 Mitgliedstaaten werden unter wirtschaftlichen, politischen und ideologischen Gesichtspunkten analysiert und miteinander verglichen, wobei auch ihre Beziehungen zum Zentrum untersucht werden. Anhand dessen wird gezeigt, wie die Dynamiken zwischen Zentrum und Peripherien die EU prägen und was es bedeutet, ein peripherer Staat in der EU zu sein. Dabei werden die Grenzen, Zwänge, Möglichkeiten und die historische Einbettung von Peripheriegebieten betrachtet. Zudem wird untersucht, welche Probleme sich aus ihrer Randlage in der EU ergeben. Zur Beantwortung unserer Fragen greifen wir verschiedene Peripherie-Dimensionen in der EU heraus: die wirtschaftliche Peripherie, die politische Peripherie und die ideologische/symbolische Peripherie sowie deren Wechselwirkungen.
Der erste Teil unserer Studie widmet sich den sozioökonomischen Merkmalen der Peripherie in der EU und der globalen Interaktion. Dabei arbeiten wir mit drei Ländergruppen, die innerhalb der beiden Euro-Peripherien liegen, die unseren Untersuchungsgegenstand bilden. In einzelnen Kapiteln beleuchten wir für jede der drei regionalen Gruppen ihren historischen Hintergrund und ihre sozioökonomische Entwicklung und heben dabei besondere Wirtschaftsmodelle hervor, die in den vergangenen dreißig bis vierzig Jahren in den Euro-Peripherien im Süden und Osten entstanden sind. Für jede Region haben wir (auf der Grundlage früherer Untersuchungen) ähnliche sozioökonomische Indikatoren ausgewählt, die uns einen gezielten Blick auf die Struktur der Wirtschaft, die Verschuldung, die Besteuerung und die ausländischen Direktinvestitionen, die Arbeits- und sozioökonomischen Bedingungen und den internationalen Handel ermöglichen. In einem weiteren Kapitel wird die Problematik mit Blick auf Handelsnetzwerke, globale Wertschöpfungsketten und die Automobilindustrie im europäischen und globalen Kontext vertieft. Dabei lassen sich, wenn die beiden Euro-Peripherien in einem größeren globalen Kontext betrachtet werden, zwischen 2000 und 2019 signifikante Verschiebungen im internationalen Handel beobachten.
Im vergleichenden Teil der Studie werden wesentliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Wirtschaftsmodelle der beiden Euro-Peripherien in verschiedenen historischen Zusammenhängen herausgearbeitet. Zudem betrachten wir Fragen der Konvergenz und Divergenz aus dem Blickwinkel der Auswirkungen und Folgen der globalen Finanzkrise und schauen auf bestehende Abhängigkeiten, die die Peripherien Süd-, Mittelost- und Südosteuropas in der EU prägen.
Darüber hinaus werden in der Studie auch die politischen Aspekte der Kern-Peripherie-Beziehungen in der EU analysiert. Dafür wird das Konzept der Spaltungen auf nationaler und transnationaler (EU-)Ebene herangezogen. Zudem wird die Problematik der politischen und symbolischen (Unter-)Repräsentation (und des Einflusses) in der EU (mit Schwerpunkt auf der Führungsposition in der EU und dem Europäischen Parlament) und die Frage potenzieller Koalitionsbildungen erörtert.
Als nächster Aspekt der Peripherielage wird die ideologische bzw. symbolische/kulturelle Sphäre betrachtet. Dafür wurde ein diskursiver und vergleichender Ansatz gewählt. Wir blicken hierbei insbesondere auf die Peripherie als Konstruktion des Andersseins im Prozess der „Osterweiterung“ der EU (1994-2004) und im Fall der Finanzkrise in Griechenland.
Anhand der Schlussfolgerungen der Studie lassen sich die Machtasymmetrien in der EU aus Sicht der beiden Euro-Peripherien besser verstehen, da konkrete Probleme und Phänomene aufgezeigt werden, die ihre jeweilige periphere Lage erzeugen, reproduzieren und charakterisieren. Dabei werden aus der Peripherieperspektive wesentliche Fragen in Verbindung mit dem Zusammenhalt und der Nachhaltigkeit des europäischen Integrationsprojekts aufgeworfen. Damit liefert die Studie einen wissensbasierten Hintergrund für potenzielle politische Entscheidungen und Koalitionsbildungen. Aus den Untersuchungsergebnissen resultieren umfassende politische Implikationen.
Die vollständige Studie wird im Juni 2022 als eBook (Englisch, mit einer Zusammenfassung in BG, CZ, EN, ES, GR, HU, IT, LT, PL, PT und SH) veröffentlicht und auf der Website von transform! europe verfügbar sein.
In Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Forschungsteam:
Giuseppe Celi (Universität Foggia, Italien)
Valentina Petrović (Universität Zürich, Schweiz)
Veronika Sušová-Salminen (Zentrum für Globale Studien, Tschechische Republik)
Herausgeberinnen:
Tatiana Moutinho und Dagmar Švendová (transform! europe)