Bei den Wahlen letzten September bestätigten die Wähler_innen SYRIZAs neue Position, die auf zwei Säulen beruht: Erstens auf der Anwendung der von der Troika erpressten Vereinbarung bei gleichzeitigem Bemühen um Reduktion ihrer negativen Auswirkungen, und zweitens auf der Einführung eines Parallelprogramms.
Dieses Programm setzt sich aus politischen Maßnahmen in vielen Bereichen zusammen, die den Alltag der Menschen erleichtern und die Voraussetzungen für eine neue Funktionsweise des Staates und eine neue wirtschaftliche Entwicklung schaffen werden. Mit der Umsetzung dieses Parallelprogramms wurde schon begonnen, und wir können einige seiner grundlegendsten Bestandteile vorstellen:
Die umfassendste Reform wurde im Bereich der Gesundheitsversorgung vollzogen. Ein Gesetz, das vor zwei Wochen verabschiedet wurde, ermöglicht es 2,5 Mio. nichtversicherten Menschen, die bisher – ohne enorme Mittel aufbringen zu müssen – keinen Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem hatten, von nun an vollen Versicherungsschutz zu genießen. Dieser Schritt setzt der unerträglichen Situation ein Ende, dass Menschen aufgrund fehlender medizinischer Versorgung leiden müssen oder sogar versterben. Zudem werden öffentliche Krankenhäuser erstmals seit 2009 wieder medizinische Fachkräfte einstellen (nach aktuellem Stand 3.500 Personen) und damit berufliche Möglichkeiten im öffentlichen Gesundheitswesen schaffen.
Weiters stellte die Regierung vielen Haushalten gebührenfreie Strom- und Wasserversorgung zur Verfügung und erließ diesbezügliche Schulden. Zusätzlich zur kostenlosen Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel für Arbeitslose und dem kostenfreien Bezug von Lebensmitteln in Supermärkten für 148.000 Menschen plant die Regierung die kostenlose Versorgung von 200.000 Schulkindern mit warmen Mahlzeiten, mit der unverzüglich begonnen werden soll. Außerdem soll in 30 Gemeinden ein „soziales Solidareinkommensprojekt“ eingeführt werden.
Was das öffentliche Bildungssystem angeht, kletterte die Anzahl der neu eingestellten Lehrer_innen in Schulprogrammen für Kinder mit sonderpädagogischem Bedarf auf ein Rekordhoch. Auch Universitäten werden erstmals seit 2010 in der Lage sein, Lehrpersonal (500 PhD-Absolvent_innen) längerfristig anzustellen. Ein neuer Forschungsinvestmentfonds wird soeben ausgearbeitet, um den griechischen Forschungssektor anzukurbeln. Der Fonds wird anfänglich mit 300 Mio. Euro ausgestattet sein, von dem ein Großteil direkt von der Europäischen Investitionsbank zur Verfügung gestellt wird und der nicht zu den bisher angesammelten Schulden addiert wird. Dadurch soll es jungen Menschen ermöglicht werden, in Griechenland zu bleiben und zu arbeiten; der Abwanderung von Arbeitskräften, die das Land in den letzten Jahren massiv geschwächt hat, soll so vorgebeugt werden.
Auf finanzielle Entwicklung zielt auch ein neues Gesetz zur Solidarwirtschaft und Unternehmen im Kollektivbesitz ab – ein Sektor, der in Staaten wie etwa Frankreich bis zu 10% des BIP ausmacht. Das Gesetz wird in den kommenden Wochen vorgestellt.
Ein weiteres entscheidendes Gesetz wurde vom griechischen Parlament am 24. Februar verabschiedet. Es befasst sich mit Transparenz, Meritokratie und Effizienz der öffentlichen Verwaltung und wurde vom Ministerium für Verwaltungsreformen & e-Governance (Vize-Minister Christoforos Vernardakis) vorgelegt. Dieses Gesetz bedeutet einen großen Schritt in Richtung Modernisierung der griechischen öffentlichen Verwaltung, da es die verbreitete Auffassung zerstreut, dass Parteimitgliedschaft einen Grund für die berufliche Karriere von Beamten in der öffentlichen Verwaltung darstelle. SYRIZA setzt sich stark für diese Reform ein und hofft, damit der Partitokratie in Griechenland ein Ende zu setzen. Die Partei ist überzeugt, dass mit dieser Reform alle Arten von politischer Begünstigung abgeschafft werden und kann nicht nachvollziehen, warum die Nea Dimokratia (bis auf wenige Ausnahmen) eine solche Reform nicht unterstützte. Konstantinos Mitsotakis, der neue Chef der Oppositionspartei, möchte sich nun als großer Feind der Partitokratie und Vetternwirtschaft inszenieren, obwohl er seit vielen Jahren Parlamentsabgeordneter ist und aus einer Familie mit langer politischer Tradition in Griechenland stammt. SYRIZA ist der Ansicht, Mitsotakis hätte genügend Gelegenheiten gehabt, seine Worte in Taten umzusetzen, diese Chance jedoch nie genutzt.
Andere Teile des Parallelprogramms wurden vom griechischen Parlament bereits abgesegnet, etwa die neue Vorgehensweise bei der Lizenzvergabe für private TV-Stationen. Diese sendeten bisher ohne dauerhaft gültige Lizenzen bzw. bezahlten keine Gebühren für die genutzten Frequenzen, da sie im informellen Naheverhältnis zu Regierungsparteien und Unternehmen standen, die mit dem Staat Geschäftsverbindungen pflegten.
Jede dieser Neuerungen wurde mit scharfer Kritik seitens der parlamentarischen Opposition quittiert. Die Arbeit der aktuellen Regierung, die den Interessen der allgemeinen Bevölkerung dient, illustriert jedoch eindrucksvoll ihre Überlegenheit über die ehemaligen Regierungsparteien.
Uns ist klar, dass die Kritiker_innen in Zukunft noch lauter werden. Wir sind jedoch darauf vorbereitet und dazu entschlossen, weiterzumachen. Um ein altes arabisches Sprichwort zu zitieren (das heute oft verwendet wird): Die Hunde bellen wohl noch, aber der Wagen fährt weiter.
Stavros Panagiotidis ist Chefberater für Sozialpolitik im Amt des griechischen Premierministers.