Den Krieg beenden!

Wie ein Damoklesschwert hängt sie über uns: Die Frage, wie denn der Krieg in der Ukraine beendet werden könnte, ohne dass weiter militärisch eskaliert wird. Es gibt keine Gewissheiten. Was möglich ist, hängt von vielen Faktoren ab. Natürlich von der Bereitschaft Russlands und der Ukraine, nicht erst auf die erhofften militärischen Gewinne zu warten. Sondern zu begreifen, dass es in diesem Krieg keine Sieger geben wird. Nur Verlierer.

Gefordert sind aber auch die NATO-Verbündeten, die EU, die osteuropäischen Nachbarstaaten der Ukraine – deren Hoffnung, Russland auf lange Zeit aus der Gruppe der Großmächte herauszudrängen, sich als gefährliche Illusion erweisen kann.

Begangene Fehler akzeptieren und einen Neuanfang machen

Die Chancen, nach 1989 ein gemeinsames Haus Europa, eine neue Sicherheitsarchitektur mit den Staaten der ehemaligen Sowjetunion aufzubauen, sind in erster Linie am Hochmut des Westens gescheitert. Die liberale Demokratie Westeuropas hat zu keinem Zeitpunkt die Menschen in Ost- und teilweise Mitteleuropa mit ihrer vielfältigen Geschichte, ihren Kulturen und Lebensweisen als Bereicherung schätzen gelernt. Sie fühlte und fühlt sich überlegen.

Es war auch ein Fehler der EU, die Ukraine immer wieder unter Druck zu setzen, sich ausschließlich der EU zuzuwenden. Wer daran zweifelt, muss sich nur die Dokumente zur EU-Nachbarschaftspolitik ansehen. Gerade die Ukraine hätte das Beispiel für faire Handels- und Kooperationsbeziehungen sowohl mit Russland als auch mit der EU werden können – zum Nutzen der ukrainischen Bevölkerung.

Es wird wohl kaum möglich sein, im Zuge eines Waffenstillstands und langwieriger Friedensverhandlungen zu diesen Ausgangspunkten, die noch vor den Minsker Verhandlungen lagen, zurückzukommen und auszublenden, was geschehen ist. Hass, Misstrauen, Wut, Scham, Unverständnis, Empörung liegen wie ein dichter Nebel über allen Bemühungen, Friedensverhandlungen im Moment auch nur näher zu kommen. Wer dennoch wie ich auf Friedensverhandlungen setzt, muss in Betracht ziehen, dass der Weg zu einem nachhaltigen Frieden äußerst kompliziert, widersprüchlich und langwierig sein wird. Er erfordert Begleiter, die im Interesse des Weltfriedens und einer gerechten und nachhaltigen Weltfriedensordnung diesen Weg mit der Ukraine und Russland gehen wollen.

Internationale Hauptakteure für den nachhaltigen Weltfrieden

Ich sehe im Moment vor allem zwei verschiedene Gruppen von Akteuren, die einen Stein ins Rollen bringen können.

Dabei handelt es sich zum einen um die BRICS-Staaten China, Brasilien, Indien und Südafrika und zum anderen um die Blockfreien Staaten insgesamt. Es war schon frappierend, wie massiv der Auftritt des chinesischen Chefdiplomaten auf der Münchner Sicherheitskonferenz sowie der nach Gesprächen mit der Ukraine und mit Russland vorgelegte 12-Punkte Friedensplan Chinas durch Vertreter der NATO und durch westliche Medien verrissen wurde. Mir scheint es deshalb wichtig, einige Punkte aus dem„China’s Position on the Political Settlement ofthe Ukraine Crisis” herauszugreifen. Es benennt grundlegende Normen im Verhältnis zwischen Staaten, die respektiert werden müssen, wenn der Krieg über einen Waffenstillstand hinaus das Zusammenleben der beiden Nationen ermöglichen soll. Es geht um nichts anderes als die Respektierung des Völkerrechts, das nicht vollkommen ist, aber das einzige im Moment vorhandene Fundament ist, auf dessen Basis ein neues Verhältnis wieder aufgebaut werden kann. Die chinesischen Lösungen zielen auf Friedensgespräche, Dialog und Verhandlungen, auf die Lösung der humanitären Krise, bei der die UN eine zentrale koordinierende Rolle übernehmen sollen. China stellt den Schutz von Zivilisten und den Austausch von Kriegsgefangenen in den Mittelpunkt, kritisiert bewaffnete Angriffe auf Kernreaktoren und ist bereit, die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) zu unterstützen. Es fordert auf, keine Kernwaffen einzusetzen und keinen Atomkrieg zu führen und lehnt die Forschung, Entwicklung und den Einsatz von chemischen und biologischen Waffen ab. Ja, die chinesische Regierung fordert auch ein Ende der Sanktionen. Das halte ich für richtig. Die EU hat jetzt den 12. Plan zu Sanktionsmaßnahmen gegenüber Russland beschlossen. Sind wir mit den vorherigen 11 Plänen dem Kriegsende auch nur einen Schritt nähergekommen?

Die Linke in Europa ist auf breite Bündnisse angewiesen

Anstatt also die chinesischen Positionen zu verteufeln, sollten gerade die EU-Staaten und die deutsche Bundesregierung mit den BRICS-Staaten, insbesondere mit China darüber sprechen, wie diese einen Friedensprozess und Maßnahmen zur Friedenssicherung nach Kapitel 6 der UN-Charta konkret unterstützen können. Das wäre zugleich ein großer Beitrag für künftige globale Friedensordnungen. Damit und nicht mit einer immer weiteren Eskalation von Sanktionen und Waffenlieferungen würde auch die EU dem Friedens-Nobel-Preis, den sie 2012 erhielt, endlich gerecht werden.

Zum anderen setze ich auf die Menschen, die sich in den Nachbarstaaten, in ganz Europa gegen den Krieg und seine weitere Eskalation zu Wehr setzen. Menschen, die wie ich die Bilder von Getöteten und Verwundeten kaum noch aushalten können und denen es in erster Linie darum geht, das tägliche Töten, ob Ukrainer:innen oder Russ:innen zu stoppen. In Deutschland unterzeichneten 770,000 Menschen einen Friedensappell, der von der Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht und der Feministin Alice Schwarzer initiiert wurde. Im Kern zielt dieser Aufruf darauf, den Krieg zu beenden, ihn von beiden Seiten nicht weiter zu eskalieren. Er fordert die Bundesregierung und den Bundeskanzler auf, aktiv Einfluss zu nehmen, um Friedensverhandlungen zu ermöglichen. Kritisiert wird diese Initiative mit der Behauptung, dass damit eine Unterwerfung der Ukraine unter Russland gefordert würde. Was ebenso falsch ist wie die Behauptung, dass hier eine neue Querfront entstünde.

Die Art und Weise der Debatte, die angebliche Alternativlosigkeit zur militärischen Eskalation, das Gieren der Mächtigen in Deutschland, wieder eine weltpolitische und militärische Rolle spielen zu können, erstickt jedweden nachdenklichen und verantwortlich geführten gesellschaftlichen Diskurs. Umso mehr braucht es breite Bündnisse, die weit über die ins Alter gekommene Friedensbewegung hinausgeht. Es ist die Aufgabe der Stunde für Die LINKE in Deutschland und die Linken in Europa einen Schulterschluss, gemeinsame Initiativen und Aktionen zwischen antimilitaristischen und antifaschistischen Friedensbewegten, Klimaaktivist:innen und Gewerkschafter:innen zu befördern.

Bewegen sich die Linken nur in ihren eigenen Zirkeln, schaffen sie es nicht, ihre inneren Auseinandersetzungen beiseitezulegen, machen sie sich als gesellschaftliche Kraft überflüssig.

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