Erdrutschsieg der Fortschrittspartei könnte Macht an Mitte-Rechts zurückgeben

Nur wenige haben damit gerechnet, dass die Koalition aus SozialdemokratInnen und Linksgrünen, die nach dem wirtschftlichen Zusammenbruch des Landes die Macht übernommen hat, tatsächlich die gesamte Amtsperiode überstehen würde. Allen Unkenrufen zum Trotz haben sie es geschafft, obwohl sich gerade die Linksgrünen mit einigen Schwierigkeiten und internen Problemen konfrontiert sahen. Aufgrund diverser Auseinandersetzungen musste die Koalition ihre letzten Monate als eine Minderheitsregierung meistern. Die Unterstützung, die sie bei den Wahlen 2009 erfahren hatte, schwand dahin – nicht zuletzt, weil die alten Parteivorsitzenden von den ewigen Kämpfen um die immer gleichen Themen müde geworden waren: die Europäische Union, die Verfassung und Icesave (die isländische Privatbank, die im Oktober 2008 Pleite gegangen ist, Anm.)

Die Koalitionsparteien haben vor der Wahl versprochen, den 2009 eingeschlagenen Weg weiterzuführen und ihr Hauptaugenmerk auf die Wiederbelebung der isländischen Wirtschaft zu legen. In den Jahren davor haben sie das Sozialsystem in Zeiten harscher Kürzungen mit Hilfe von öffentlichen Investitionen erfolgreich verteidigt. In ihrer Regierungszeit schafften sie es, die Inflation auf unter 5% abzusenken, das Budgetdefizit von über 200 Milliarden ISK 2009 nahezu zu eliminieren und die Arbeitslosigkeit auf etwa 4% zu reduzieren. Dies schien den WählerInnen jedoch nicht zu genügen und die Oppositionsparteien gaben nur zu gerne weitere Versprechen.

Bjarni Benediktsson, der Vorsitzende der rechten Unabhängigkeitspartei, hat niedrigere Steuern sowie ein einfacheres Steuersystem versprochen. Die Umfragewerte für seine Partei haben im März ein Dauertief erreicht, ein lauschiges Interview mit ihm wenige Wochen vor der Wahl hat seinen Ideen jedoch neuen Aufschwung verliehen. Die Unabhängigkeitspartei hat in den Wahlen mit 26% die meisten Stimmen gewonnen, umgerechnet entspricht dies 19 Sitzen im Parlament. Nichtsdestotrotz ist dies das zweitschlechteste Ergebnis in ihrer Partei-Geschichte und dank des verschrobenen Wahlsystems kommt die Fortschrittspartei auf dieselbe Mandatszahl wie die Unabhängigen. Die SozialdemokratInnen haben mehr als die Hälfte ihrer Sitze eingebüßt und stehen bei 12.9% der Stimmen, also 9 Sitzen (2009 erreichten sie noch 29.8%). Auch die Linksgrünen haben die Hälfte ihrer Mandate verloren und halten nur noch 7 Sitze (10.9%). Eine Vielzahl von neuen Parteien ist ebenfalls zu diesen Wahlen angetreten, zwei von ihnen haben den Sprung ins Parlament geschafft – die Piratenpartei hat die Hürde mit 5% gemeistert (3 Mandate) und die Strahlende Zukunft kam auf Anhieb auf 8% (6 Sitze) – das bislang höchste Ergebnis, mit dem eine neue Partei den Einzug ins Parlament geschafft hat. Neun weitere Parteien haben insgesamt rund 12% der Stimmen erreicht und damit hauptsächlich den linken Parteien Stimmen weggenommen. Keine von ihnen wird zukünftig im Parlament vertreten sein.

Die Fortschrittspartei ist die eindeutige Siegerin dieser Wahlen. Parteivorsitzender Sigmundur Davíð Gunnlaugsson machte sich im Zuge der Kampagne gegen die Icesave-Niederlassungen einen Namen und zog infolgedessen 2009 als Anführer der Fortschrittspartei ins Parlament ein. Sein Ansehen ist stetig gewachsen und erreichte seinen Höhepunkt, als er nach dem EFTA-Gerichtsentscheid die Anschuldigung der Aufsichtsbehörde, Island hätte durch das Schützen von Spareinlagen isländischer Banken EU-Richtlinien verletzt, entschieden zurückwies. Die Wahl-Kampagne der Fortschrittspartei konzentrierte sich auf Privatschuldner und versprach jenes Geld, das von ausländischen Gläubigern zurückverlangt wurde, zur Senkung der Haushaltsschulden zu verwenden. Die klare Anti-EU-Position der Partei sicherte ihnen zudem die Unterstützung der ruralen WählerInnenschaft. Die Partei erreichte zwar nur 24% der Stimmen, hält aber dank ihrer Überrepräsentation in ländlichen Gebieten gleich viele Sitze im Althing (Isländisches Parlament, Anm.) wie die Unabhängigkeitspartei – mit 19 Sitzen mehr als doppelt soviel wie bei den letzten Wahlen (9).

Fortschrittspartei-Vorsitzender Gunnlaugsson hat grünes Licht für die Bildung einer Regierung bekommen. Er hat angekündigt mit allen Parlamentsparteien sprechen zu wollen, das  wahrscheinlichste Ergebnis ist jedoch eine Koalition mit den Unabhängigen. Sie teilen ihre neoliberalen Wirtschaftsansichten und lehnen eine EU-Mitgliedschaft ab. Die Parteien würden versuchen, die Beitrittsverhandlungen zum Stillstand zu bringen und beide haben angekündigt, diese nicht fortzusetzen, wenn sich ein Referendum dagegen aussprechen sollte. Umfragen zufolge unterstützen gut 60% der isländischen Bevölkerung den Abschluss der Verhandlungen, obwohl eine Mehrheit der WählerInnen einem EU-Beitritt skeptisch gegenüber steht.

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