Als Reaktion auf die finanzielle, ökonomische und soziale Krise transformierten die herrschenden Klassen in den letzten beiden Jahren die EU – ökonomisch und auch politisch.
Die neoliberale Reaktion war überall die selbe, quer durch die EU: Haushaltskonsolidierung; Austeritätsmaßnahmen; sogenannte strukturelle Reformen, um die staatlichen Kollektivverträge zu zerstören und sie durch lokale und unternehmensbezogene Verträge zu ersetzen; Flexibilität der LohnarbeiterInnen und Abbau der sozialen Rechte (Pensionen, Gesundheitswesen, Bildung) durch die Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen und Güter.
Ohne die EU-Verträge zu modifizieren, ohne Diskussion im Europäischen und in den nationalen Parlamenten, ohne öffentliche Debatte, wurden die existierenden EU-Organe transformiert, neue wurden geschaffen, und zwar durch Rechtsakte, die durch die Verträge nicht gedeckt sind. Schritt für Schritt wurde gemäß dem alten funktionalistischen Modell die Macht der europäischen Regierungen (durch den EU-Rat), des Europäischen Bankenausschuss und der TechnokratInnen zunehmend und tiefgreifend ausgebaut. Als Resultat ersetzt die Zustimmung der Märkte jene der Bevölkerung.
Das Europäische Semester, der Euro-Plus-Pakt, der Sixpack, das Finanzabkommen waren die wichtigsten Schritte, um ein Europäisches Wirtschaftsregime zu formen, das die politische Vorherrschaft der Märkte garantiert.
All diese Schritte haben jedoch nichts mehr mit der alten Frage des demokratischen Defizits zu tun, sondern repräsentieren die Abschaffung der Demokratie.
Ein Netzwerk aus Regierungen, TechnokratInnen, Finanz- und Wirtschaftsmächten und Zentralbankiers konstituiert eine europäische Oligarchie, die nur den Märkten verantwortlich ist. Die herrschenden Klassen wollen nun Institutionen, die die Fiskalpolitik verwalten und die Bankenunion formen, um den Anforderungen der Märkte besser gerecht zu werden.
Die EU stellt nun eine Marktgesellschaft mit ökonomischer Verfassung dar, die die Verfassungsprinzipien des 20. Jahrhunderts beseitigt hat.
Die Verankerung von Schuldenbremsen in den Verfassungen der Mitgliedsstaaten – wie im Fiskalpakt festgelegt – ist die Klimax des Sieges des Neoliberalismus, die Konstruktion einer europäischen juristischen Ordnung im Sinne des Marktes. „Brüssel“ und „Frankfurt“ sind nun die Machtzentren, ein Schaltkreis von Institutionen, aus denen die Demokratie ausgeschlossen wurde, im Dienste der Märkte.
Ungeachtet wichtiger Kämpfe (von Spanien bis Griechenland) waren die europäischen Gesellschaften nicht fähig, auf die wichtigste Frage Antworten zu formulieren und zu mobilisieren: Demokratie, die Grundvoraussetzung, um die neoliberale Politik bekämpfen zu können und auch um soziale und ökonomische Alternativen zu entwerfen.
Florenz 10+10 wäre eine gute Gelegenheit zu diskutieren, wie die Schwierigkeiten im Kampf gegen die antidemokratische EU-Entwicklung überwunden werden können, und zu versuchen, europäische Allianzen und Bündnisse zu schmieden, die fähig sind, Kampagnen für ein demokratisches Europa zu organisieren.