Zurzeit wird in Großbritannien ernsthaft über die Möglichkeit eines Generalstreiks diskutiert. Ist dies angesichts der historischen Erfahrung im Land – und der bestehenden gesetzlichen Beschränkungen – eine realistische Forderung?
Bisher hat in Großbritannien erst ein einziges Mal ein Generalstreik stattgefunden. Im Jahr 1926 rief der TUC (Trades Union Congress) die Arbeiterschaft zur Unterstützung des Kampfes der Bergarbeiter auf, die ihre Löhne und Arbeitszeiten verteidigten. Nach neun Tagen des von der Regierung organisierten Streikbrechens blies der TUC den Generalstreik wieder ab. Die Bergarbeiter kämpften monatelang alleine weiter, viele von ihnen waren vom Hungertod bedroht. Das Scheitern dieses Streiks hat eine tiefgehende Wirkung in der britischen Arbeiterbewegung hinterlassen, die seither immer gezögert hat, diese Erfahrung zu wiederholen; die gewerkschaftsfeindlichen Gesetze von Margaret Thatcher taten ein übriges, um die Sache zu erschweren, indem sie Unterstützungsstreiks illegal machten.
In den letzten Jahren ist der Aufruf zum Generalstreik mit den Linksradikalen in Verbindung gebracht worden, weshalb es als Zeichen der Schwere der Wirtschaftskrise und der Härte des Angriffs auf die arbeitenden Menschen im heutigen Großbritannien gewertet werden muss, wenn die Forderung nach einem Generalstreik erhoben wird, und zwar sowohl innerhalb des TUC selbst als auch aus dem Mund wichtiger Gewerkschaftsführer. Am TUC-Kongress im September letzten Jahres wurde als Protest gegen die Kürzungspolitik der Regierung mit großer Mehrheit eine Resolution verabschiedet, wonach der TUC die „konkreten Modalitäten“ zur Durchführung eines Generalstreiks überprüfen solle.
Dieser Aufruf wurde von führenden Gewerkschaftern, wie z.B. Len McCluskey von Unite und Mark Serwotka von PCS (Public and Commercial Services / Gewerkschaft der im Öffentlichen und Privaten Dienstleistungssektor Beschäftigten), auf einer 150.000 Teilnehmer_innen umfassenden Demonstration gegen die Kürzungspolitik im Oktober letzten Jahres bekräftigt.
Zurzeit sieht es so aus, als sei Unite entschlossen, beim bevorstehenden Treffen der TUC-Hauptversammlung Anträge zu einem Generalstreik gegen die Sparpolitik einzubringen. Die Debatte wird die gesetzlichen Implikationen zum Inhalt haben müssen – ein solcher Streik würde ja als ein ‚politischer’ Streik und weniger als ein ‚Arbeitskampf’ betrachtet werden und daher gesetzliche Konsequenzen nach sich ziehen; sein Ausmaß würde ebenso Gegenstand der Debatte sein müssen – in welchen Bereichen er stattfinden und wie lange er dauern würde. Wahrscheinlich würde auch die Gegnerschaft bei einigen Teilgewerkschaften sowie bei der Führung der Labour Party angesprochen werden müssen, der es bisher an einer Anti-Austeritätspolitik mangelt und die es zu jener Zeit, als sie die Regierung bildete, verabsäumt hat, die gewerkschaftsfeindliche Gesetzgebung der Thatcher-Ära aufzuheben. Ungeachtet dieser Probleme wird die erhöhte Kampfbereitschaft von Unite und anderen Gewerkschaften in einem Klima sehr begrüßt, in dem die Leute um den Erhalt von Arbeitsplätzen, Sozialleistungen und öffentlichen Diensten kämpfen und sich eine klar gegen weitere Kürzungen positionierte Führerschaft im Kampf gegen die Sparpolitik wünschen.
Die Rolle von Unite und anderen Gewerkschaften in der Bewegung gegen die Sparpolitik wird daher sehr begrüßt. Sie spielen eine bedeutende Rolle in der ‚Versammlung der Bevölkerung gegen Sparpolitik’, die am 22. Juni in London stattfinden und der am 23. Juni eine ‚Europäische Versammlung gegen Sparpolitik’ folgen wird. Diese Zusammenkünfte sind von der Coalition of Resistance initiiert worden, die damit beabsichtigt – in enger Zusammenarbeit mit der Bewegung gegen Sparpolitik in ganz Europa –, diese auch in Großbritannien zu stärken und auszubauen. Wir freuen uns bereits darauf, viele Genoss_innen aus ganz Europa begrüßen zu können, die mit uns gemeinsam diese bedeutenden Entwicklungen diskutieren werden.