Anliegen von CPERN ist die Förderung kritischer und emanzipatorischer Wissenschaft, mit dem Ziel, die jüngsten Transformationen von Kapitalismus und kapitalistischen Gesellschaften verstehbar zu machen. Aufgrund seines nicht auf Europa beschränkten Fokus ist das Netzwerk eine Drehscheibe für interdisziplinären Austausch zwischen Soziologie, Politik, Ökonomie, Geografie und Recht. Es stützt sich auf einen Beirat aus renommieren kritischen WissenschaftlerInnen unter Vorsitz von Ian Bruff (Universität Loughborough, GB) und Laura Horn (Universität Roskilde, Dänemark). Mònica Clua-Losada, Sekretärin des Netzwerks, war die Gastgeberin der Konferenz an der Pompeu Fabra Universität in Barcelona, wobei sie vom Hauptvortragenden, Vicenç Navarro, einem der hervorragenden kritischen Intellektuellen seines Landes, kritisch unterstützt wurde.
Die Konferenz fand unter dem Eindruck der riesigen Mobilisierungen gegen die Krise statt, die sich vor kurzem in Barcelona ereignet habe. Sie waren von einer nationalistischen Welle geprägt und brachten Anhänger der Unabhängigkeit aus dem rechten und linken Lager auf der Straße zusammen.
transform! europe war gebeten, auf der Konferenz sein Akademia-Projekt vorzustellen, dessen Ziel es ist, WissenschaftlerInnen aus ganz Europa verschiedene Möglichkeiten der Interaktion und Zusammenarbeit in Form einer gemeinsamen Online-Plattform zur Verfügung zu stellen.
Es konnte ein Gesamteindruck von der äußerst ernsthaften Arbeit der Präsentierenden – einer klugen Mischung aus jungen WissenschaftlerInnen und DoktoratsstudentInnen europäischer Universitäten – gewonnen werden. Die Zusammensetzung gewährleistete ein hohes Niveau der Auseinandersetzung, wobei zur relevanten Forschung Themenfelder gehören, die auch für das Arbeitsprogramm von transform! europe von zentralem Interesse sind und zu denen insbesondere die europäische öffentliche Politik – Wirtschaftspolitik ebenso wie die Bereiche höhere Bildung und Gesundheit – zählt (Sitzung 3). Die Bandbreite der Zugänge war umfassend und reichte von Kritiken der politischen Ökonomie (Sitzung 1) über rechtswissenschaftliche Untersuchungen (Sitzung 5) und Gesellschaftsanalyse (Sitzung 6) bis zu Ereignisgeschichte und -theorie (Sitzung 8).
Die Diskussion war offen, konstruktiv und sachbezogen, sodass sich für die Doktorats- und kollektiven Forschungsprojekte mancherorts Einsichten und Vorschläge zur Verbesserung oder Veränderung ihrer vorliegenden Forschungsdesigns ergaben. In dieser Hinsicht erfüllte das Netzwerk seine vorrangige Aufgabe der Artikulation kritischer, in Einzel- oder Kollektivprojekten entstandener Forschung, um sie als relevante Beiträge zum Verständnis grundlegender Fragen der kritischen Theorie und Praxis zur Verfügung zu stellen.
War die allgemeine Atmosphäre von einem „sine ira et cum studio“ („ohne Hass, aber mit viel Leidenschaft“) geprägt – außer vielleicht, als man über Theorien des Neogramscianismus sprach –, stieg die Temperatur um mehrere Grade, als Vicenç Navarro seinen Vortrag hielt, der sich mit dem grundlegenden Bedarf an kritischem Denken, insbesondere einer Klassenanalyse, befasste, damit die Menschen nicht nur die Krise in Europa und in Spanien verstehen, sondern auch Alternativen sehen können. Von einem älteren Wissenschaftler wie ihm kommend – er hatte als Professor im Exil in mehreren europäischen Ländern und den USA gelebt –, war sein Vortrag ein ausgezeichnetes Beispiel für die „Weitergabe des Feuers“ an andere Generationen. Das sei wichtig, unterstrich er, weil allen Anwesenden die Schwierigkeiten bewusst seien, die kritischen WissenschaftlerInnen begegnen, wenn sie versuchen, im institutionellen Rahmen jener zunehmend auf Wettbewerb und Konformismus abgestellten Orte, zu denen die Universitäten in ihrer neuen Rolle als Fabriken in einer Wissensgesellschaft werden, einen Platz für sich zu finden. In dieser Hinsicht kam das Netzwerk auch seiner Mission nach, gegenseitigen Wissensaustausch und Solidarität unter den kritischen WissenschafterInnen aus allen Teilen Europas (Ungarn, Österreich, Niederlande, Deutschland, Spanien, Türkei, Italien, Polen, Slowenien, Irland), die hier vertreten waren, zu fördern, ungeachtet der Tatsache, dass eine klare Mehrheit der anwesenden WissenschaftlerInnen aus englischsprachigen Ländern kam oder dort tätig war.
Da es noch kein transform! Großbritannien gibt, könnte es von Interesse sein, kritische WissenschaftlerInnen des CPERN-Netzwerks durch das neue Akademia-Projekt anzubinden, damit sie auch in diesem Kontext ihre Arbeit und deren mögliche Implikationen für die Programme und Projekte von transform! zugänglich machen können. Es ist dies in der Tat eine Herausforderung für beide Seiten: Die Herausforderung für transform! besteht darin, dass es damit Einblick in die Realität von „Grundlagenforschung“ an den Universitäten erhält, während es gleichzeitig gewährleistet, dass die eigenen strategischen Analysen und politischen Empfehlungen an soziale Bewegungen und politische Kreise weitergereicht werden.
Das Programm dieser Konferenz und die künftige Entwicklung des Netzwerks können eingesehen werden unter: http://criticalpoliticaleconomy.net/