Macrons Projekt in Schwierigkeiten – Innenpolitischer Widerstand und europäischer Unwille

Die Strategie, die Emmanuel Macron seit dem ersten Tag seiner Präsidentschaft verfolgt, lautet: Die europäischen Partner – allen voran Deutschland – von Strukturreformen zu überzeugen, um einen „New Deal“ für Europa zu schaffen: mit mehr öffentlichen Investitionen, Euro-Anleihen und einem gemeinsamen Budget.

Macron versucht, eine neue Sorte von Neoliberalismus zu verkaufen, die steuerliche Konsolidierung und Wachstum kombiniert, basierend auf der Prämisse, dass es möglich sei, den Forderungen von Arbeitgeber_innen nach mehr Flexibilität und jenen von Arbeitnehmer_innen nach höherer Kaufkraft gleichermaßen zu entsprechen. Was bleibt davon jedoch übrig, wenn sich gegen seine Verordnungen, die den Arbeitsmarkt reformieren sollten, eine solide Gegenbewegung formiert und keiner in Europa seinen zaghaften Vorschlag, den Kurs der EU zu ändern, aufzugreifen scheint? Nicht viel, oder vielmehr die gleiche alte Austeritätspolitik.

Innenpolitischer Widerstand

Macrons Dekrete zur Arbeitsmarktreform stellen einen schweren Rückschlag für den Arbeitnehmerschutz dar und läuten eine noch nie dagewesene Ära der Rechtsunsicherheit ein. Nie zuvor mussten Gewerkschaften eine derart heftige Attacke einstecken, werden sie doch in der zukünftigen Arbeitnehmervertretungsregelung erheblich an Macht einbüßen, da Vereinbarungen in Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeiter_innen künftig auch ohne ihre Beteiligung verhandelt werden können. Durch eine Vielzahl von Maßnahmen werden Entlassungen dramatisch vereinfacht, während gleichzeitig die Verbreitung prekärer Arbeitsverhältnisse mit der Einführung von Werkverträgen und der Schwächung der meisten Leistungen, die bis dahin mit fixen Arbeitsverträgen einhergingen, steigt. Dies alles, um der vermeintlichen „Angst vor Anstellung“ entgegenzuwirken, die Arbeitgeber_innen davon abhält, Jobs zu schaffen – ungeachtet der Tatsache, dass eine zunehmende Anzahl von Ökonom_innen die Wirksamkeit solcher Maßnahmen anzweifelt. Sozialdialog, wie wir ihn kennen, wird bald der Vergangenheit angehören, da die Verordnungen Vereinbarungen auf Unternehmensebene massiv fördern: solche Vereinbarungen werden jene, die von der nationalen Arbeitsgesetzgebung (code du travail) geregelt werden, bald übersteigen.

Die Liste der Änderungen ist lang, und kann deshalb in diesem Rahmen nicht in ganzem Umfang thematisiert werden. Ihr Inhalt ist jedoch nicht der einzige Grund, aus dem tausende Demonstrant_innen am 12. September landesweit auf die Straße gingen. Die Art und Weise, wie diese Gesetzgebung umgesetzt wird, nämlich mittels Verordnungen, heizte die Problematik nur noch stärker an. Dem Parlament wurde dabei eine ausschließlich symbolische Rolle zugedacht, was bei einer Reform dieses Ausmaßes nichts anderes als Missachtung der Demokratie und ein Bekenntnis zu in höchstem Maße autoritären Elementen des französischen Präsidialregimes ausdrückt. Eine ziemliche Ironie für einen Präsidenten, der in seinem Wahlkampf damit warb, die Demokratie einem Neustart unterziehen zu wollen…

Am Vorabend des nationalen Aktionstages ging Präsident Macron auf seine Verordnungen und auf die Mobilisierung gegen deren Umsetzung ein und meinte, dass er „kompromisslose Entschlossenheit an den Tag legen“ und „nicht nachgeben“ würde, „nicht den Faulen, nicht den Zyniker_innen, nicht den Extremen“. Bedauerlicherweise reagierten 400.000 „Faule“ auf den Aufruf der linksgerichteten Gewerkschaften (CGT, SUD-Solidaires und FSU) und gingen im ganzen Land auf die Straße. Im Gegensatz zur letztjährigen Gewerkschaftsbewegung gegen das so genannte Arbeitsgesetz lehnte die Leitung der beiden führenden moderaten Gewerkschaften (CFDR und FO) den Ruf nach Mobilisierung ab.

Diese Spaltung konnte jedoch nicht verhindern, dass der erste Tag der Mobilisierung gegen die Verordnungen zur Arbeitsmarktreform ein voller Erfolg war. Der heutige 21. September ist wieder ein Tag des Streiks und der Demonstrationen. France Insoumise rief für Samstag, den 23. September, zu einem „Marsch gegen den sozialen Umsturz“ in Paris auf, wobei die Führung der Französischen Kommunistischen Partei noch offenließ, ob sie daran teilnehmen würde oder nicht. Die Spaltung – sowohl innerhalb der Arbeiter_innenbewegung als auch innerhalb der politischen Linken – ist beträchtlich. Doch dies gilt auch für ihren Einsatz. Die Öffentlichkeit ist nicht gewillt, Macron einen Blankoscheck auszustellen, um Arbeits- und Sozialrechte zu demontieren. Es bleibt zu hoffen, dass die Zunahme an Initiativen gegen diese Verordnungen die Opposition stärken und nicht zersplittern wird, und dass die oben erwähnten Kräfte schlussendlich zumindest auf der Straße zusammenkommen werden.

Europäischer Unwille

Die Strukturreformen des Arbeitsmarktes, mit einem Schwerpunkt auf der Dezentralisierung der Kollektivverhandlungen in Richtung Unternehmensebene, stehen im Zentrum von Macrons Strategie, den EU-Partner_innen und vor allem der deutschen Regierung gegenüber an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Das, und nur das, könnte ernsthafte Diskussionen über eine „Neugründung Europas“ (in einem gewissen Maße) auslösen, so wird gemunkelt. Mit „Neugründung“ meint Macron tatsächlich etwas weitaus Bescheideneres. Kurz gesagt: Die Aufstellung eines geringen gemeinsamen Budgets (1% des BIP im Euroraum) sowie die Ernennung einer oder eines EU-Finanzminister_in; die Einführung von Euro-Anleihen bringt die übliche politische Möglichkeit der Durchführung weiterer Strukturreformen und die Fortführung des Grundgedankens des so genannten Juncker-Plans unter Dach und Fach, um die fehlenden Investitionen in der EU in Angriff zu nehmen. Tatsächlich ist das nicht im Geringsten revolutionär…

Doch selbst diesem sehr mäßigen Angebot einer Kursänderung der EU begegnet die deutsche Regierung mit höflicher Ablehnung. Kanzlerin Merkel brachte es wohl nicht übers Herz, Macrons Vorschläge direkt zu blockieren. Stattdessen überließ sie diese Aufgabe ihrem äußerst orthodoxen Finanzminister Schäuble. Wenn die deutsche Regierung scheinbar kein Problem mit der Bestellung einer oder eines EU-Finanzminister_in hat, dann nur, weil dies dazu beitragen würde, ihr Projekt der Umwandlung des europäischen Stabilitätsmechanismus in einen echten europäischen Währungsfonds zu krönen, dessen Aufgabe es wäre, Investitionen in Europa zu fördern. Dies zu noch raueren Bedingungen, die von der Eurogruppe definiert würden, in der Deutschland eine, gelinde gesagt, vorherrschende Rolle spielt. Sogar Merkels größter, wenn auch harmloser, Gegenspieler bei der Bundestagswahl, der Sozialdemokrat Martin Schulz, sprach sich öffentlich gegen Euro-Anleihen aus.

Man möchte vielleicht meinen, dass Macron auf die Unterstützung von Jean-Claude Juncker bauen könnte. Doch der Präsident der Europäischen Kommission stellte vergangene Woche in seiner Rede zur Lage der Union deutlich klar, dass seine Prioritäten für die EU woanders lägen: Anstelle einer oder eines EU-Finanzminister_in setzte er sich für eine starke EU-Präsidentschaft ein, mittels Fusion des Amts des Präsidenten der Europäischen Kommission mit dem Amt des Vorsitzenden der Eurogruppe; anstelle eines gemeinsamen Budgets für die Eurozone fordert er die Schaffung eines Instruments, das sicherstellen soll, dass alle EU-Mitgliedstaaten den Euro als Währung annehmen.

In nur wenigen Monaten gelang es Macron, sein politisches Kapital beinahe vollständig zu verspielen. Seine Strategie des ausgeglichenen Neoliberalismus (Strukturreformen im Austausch für eine auf Wachstum gerichtete Politik) befindet sich am Rande des Zusammenbruchs. Die einzige Frage, die offen bleibt, ist das Tempo dieses Zusammenbruchs. Dieses hängt unter anderem von der Fähigkeit der fortschrittlichen politischen und sozialen Kräfte ab, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.  

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