Wie weithin bekannt, wurde Spanien und im Besonderen der spanische Arbeitsmarkt nicht nur von wirtschaftlichen und politischen Krisen, sondern auch von den Austeritätsmaßnahmen hart getroffen. Die Arbeitslosenrate stieg dramatisch und die soziale Ungleichheit nahm zu, wie auch das Armutsrisiko. Die Arbeitslosenrate erhöhte sich von 8,2% im Jahr 2008 auf 26,1% 2013 und lag 2014 bei 24,1%.
Verschlechterte Arbeitsbedingungen für Frauen
Diese „Große Rezession“ wirkt sich unterschiedlich auf Frauen und Männer aus und hat Einfluss auf eine Vielzahl an bestehenden geschlechterspezifischen Ungleichgewichten. Einige dieser „Gender Gaps“ konnten (zumindest quantitativ) verkleinert werden, andere jedoch wurden größer. Wie viele andere bereits anmerkten, führen Rezensionen immer zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen. Frauen brauchen länger als Männer, um aus der Arbeitslosigkeitskrise einen Ausweg zu finden und müssen sich zusätzlich auch mit niedrigerer Entlohnung, unsichereren Arbeitsbedingungen, Teilzeitarbeitsverhältnissen und vermehrter Beschäftigung in der Schattenwirtschaft zufrieden geben.
Negative Reduktion des Gender Gaps
Seit 2012 wiesen einige bekannte Analytiker – darunter Regierungsexpert_innen – darauf hin, dass sich hinsichtlich Beschäftigung und Arbeitslosigkeit die Situation von Männern und Frauen angenähert hat. Es stimmt, dass die Realität der Frauen auf dem spanischen Arbeitsmarkt heute eine völlig andere ist als in der Vergangenheit. Wenn wir uns das letzte Jahrzehnt ansehen, fällt auf, dass die Frauenerwerbsquote von 40% im Jahr 2002 auf 53,3% im Jahr 2013 anstieg, sich also sogar während der schlimmsten Krisenjahre erhöht hat. Unleugbar ist, dass das Absinken der Frauenerwerbsquote weniger dramatisch ausfiel als jene der Männer. Die Arbeitslosenrate der Männer war zwischen 2006 und 2013 von 6,4% auf 25,8% angestiegen, jene der Frauen im selben Zeitraum von 11,3% auf 27%.
Langsame Erholung bei männlichen Arbeitnehmern
Diese Daten zeigen zweifellos eine Reduktion des Gender Gaps, was den Zugang zum Arbeitsmarkt angeht. Ebenso offensichtlich ist jedoch, dass sich dieses Phänomen nicht aufgrund einer tatsächlichen Verbesserung der Situation der Frauen manifestiert, sondern aufgrund der Verschlechterung der Situation der Männer. Bei eingehender Analyse der Statistiken können wir darüber hinaus sehen, dass sich die Beschäftigungsquote der Männer heute schneller erholt als jene der Frauen. Nachdem die Arbeitslosenrate der Männer im Jahr 2013 ihren Höhepunkt erreicht hatte, nahm sie im Verlauf eines Jahres um zwei Prozentpunkte ab, während jene der Frauen derzeit wieder zulegt. Dabei handelt es sich um kein auf den spanischen Arbeitsmarkt begrenztes Phänomen, sondern um einen internationalen Trend. Wie die ILO es ausdrückte, „erlebten wir zu Beginn der Krise eine moderate Reduktion des geschlechterspezifischen Unterschieds bei den Arbeitslosenraten, hauptsächlich weil der Arbeitsplatzabbau besonders die männerdominierten Branchen betraf.“ Die aktuelle leichte Erholungsphase des Arbeitsmarkts betrifft vor allem jene Sektoren, in denen vorwiegend Männer beschäftigt sind (z.B. Bauwesen), womit sich der Gender Gap wieder vergrößert.
Arbeitslosigkeit ist jedoch nicht das akuteste Problem des spanischen Arbeitsmarkts und der weiblichen Arbeitskräfte. Die prekären Arbeitsverhältnisse, in denen sich viele Arbeitnehmer_innen wiederfinden, manifestieren sich als etwas Dauerhaftes – und das betrifft hauptsächlich Frauen.
Prekäre Arbeitsverhältnisse als dauerhaftes Phänomen
Wir könnten Prekarität als „eine Reihe von materiellen und symbolischen Bedingungen, die Unsicherheit in Bezug auf den nachhaltigen Zugang zu grundlegenden Ressourcen für die umfassende Lebensentwicklung schaffen“ definieren (Precarias a la Deriva, A la deriva por los circuitos de la precariedad femenina, Madrid: Traficantes de Sueños, 2004). Laut den Autor_innen ist diese Definition dynamisch: Sie reflektiert eine Situation, aber beschreibt auch die traditionellen Bedingungen, die Frauen auf dem Arbeitsmarkt vorfinden. Heute finden sich viele weibliche und männliche Arbeitnehmer_innen in dieser ungeschützten Situation wieder.
Prekäre Arbeitsverhältnisse sind nicht allein die Folge einer Reihe von Faktoren, sondern auch ein Instrument, das von den Arbeitgeber_innen verwendet wird, um Risiken und Pflichten auf die Arbeitnehmer_innen abzuwälzen. Prekäre Arbeit ist sowohl im formellen als auch informellen Sektor von Unsicherheit und Angst geprägt. Betroffene müssen sich mit befristeten Arbeitsverträgen, Beschäftigung bei Zeitarbeitsunternehmen, Teilzeitjobs, Ausbildungsverträgen, niedriger Entlohnung, niedrigen Pensionen und sogar Schwierigkeiten beim Beitritt zu Gewerkschaften, Einschränkungen des Rechts auf Tarifverhandlungen und dem Mangel an wirksamen Mechanismen der Mitverantwortung abfinden.
Austeritätsmaßnahmen verschlimmern geschlechtsspezifische Diskriminierung
Jede Arbeitsrechtsreform seit 2010 hat die prekären Verhältnisse noch weiter verschlimmert. Interessant ist, dass diese Reformen die Folge von länderspezifischen Empfehlungen waren, die vom Rat der Europäischen Union diktiert worden sind. Nach eingehender Prüfung der verbreitetsten prekären Bedingungen stellt sich heraus, dass Frauen vermehrt im Rahmen von Ausbildungsverträgen beschäftigt sind (28.000 Ausbildungsverträge wurden zwischen 2012 und 2014 mit Frauen und 13.700 mit Männern abgeschlossen), öfter in Teilzeit arbeiten (im Jahr 2013 waren 26% der weiblichen Angestellten teilzeitbeschäftigt; 73% aller Teilzeitjobs wurden an Frauen vergeben). Darüber hinaus vergrößerte sich die Gehaltsschere zwischen 2008 und 2013 von 16% auf 19%. Während die Durchschnittspension der Männer bei 1.288 Euro liegt, beläuft sich jene der Frauen nur auf 874 Euro. Zudem zeigt sich, dass Elternschaftsurlaub quasi gänzlich von Frauen in Anspruch genommen wird: weniger als 2% der Männer entscheiden sich für eine solche Freistellung vom Arbeitsplatz. Spanische Arbeitnehmer haben ebenfalls Anspruch auf Vaterschaftsurlaub, der jedoch auf 13 Tage begrenzt ist. Ähnliche geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich, wenn wir uns andere Arten der Freistellung (z.B. Pflegeurlaube) ansehen: 2013 waren 95% jener Menschen, die sich zur Kinderbetreuung freistellen ließen, und 85% der Personen, die Pflegeurlaub nahmen, Frauen.
Veränderung durch einen verfassungsgebenden Prozess
Diese Situation zeigt ganz klar, dass die traditionellen Maßnahmen der spanischen öffentlichen Politik daran gescheitert sind, Gleichberechtigung herzustellen, und dass neue politische Maßnahmen, die auf die Austeritätspolitik abgestimmt sind, die geschlechtsspezifische Diskriminierung verstärken. Um diese Situation zu ändern, brauchen wir ein entschiedeneres Vorgehen. Aus rechtlicher Sicht ist eine tiefgründige Gesetzesänderung – auch auf Verfassungsrang – nötig: um Anerkennung und Respekt für die Rechte der Arbeitnehmer_innen zu erreichen, um die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Bereich Arbeit sowohl de jure als auch de facto zu beseitigen und um damit die grundlegenden Barrieren loszuwerden, die das Verhalten der Arbeitnehmer_innen und Arbeitgeber_innen beeinflussen.
Um dies zu erreichen, sollten Verfassungsgesetze und andere Bestimmungen beispielsweise auf die Vermeidung prekärer Arbeitsverhältnisse und die Einführung von Garantien zur Schaffung von würdevollen und stabilen Arbeitsverhältnissen ausgerichtet sein, wobei jene Arbeitnehmer_innen besonderen Schutz genießen sollen, die bereits diskriminiert werden (Izquierda Unida und die Fundación por la Europa de los Ciudadanos entwickeln derzeit einen Vorschlag zu einer solchen „Arbeitsplatzgarantie“). Darüber hinaus ist es nötig, Gesetze für eine geteilte Verantwortung im Bereich Pflegearbeit auf Verfassungsebene einzuführen, um der Geschlechtertrennung in der Domäne Arbeit entgegenzuwirken.
Diese beiden Ziele könnten im Zuge eines verfassungsgebenden Prozesses erreicht werden, der einen der wichtigsten politischen Vorschläge darstellt, die wir in Spanien durchsetzen wollen.