Wahlen in Zeiten der Krise

Die Rahmenbedingungen, unter denen die jüngsten Präsidentschaftswahlen in Zypern stattfanden, lassen sich durch drei spezifische Charakteristika beschreiben.

1. Die Wahlen fanden in einer Zeit extremer wirtschaftlicher Unsicherheit mit einer sich täglich verschärfenden kapitalistischen Krise statt.

2. In Zypern herrschen Desillusionierung mit und tiefes Misstrauen gegen die wichtigsten gesellschaftlichen und politischen Institutionen (insbesondere politische Parteien und Politiker_innen betreffend). Dies hat zu einer Lockerung der Wähler-Bindung, zu fortgesetzter politischer Fragmentierung und zu einer – für die hoch politisierte zypriotische Gesellschaft ungewöhnlichen – Zunahme an Wechselwähler_innen geführt.

3. Es war das erste Mal, dass in Zypern die kommunistische Linke die Regierung gestellt hatte, mit ihrem ehemaligen Parteivorsitzenden als Staatspräsident. Für die kommunistische AKEL hatte es sich als schwierig erwiesen, einen EU-Mitgliedstaat zu regieren und gleichzeitig ihre radikale Identität zu wahren, also einen Ausgleich herzustellen zwischen ihrer Unterstützung der Regierung / des Präsidenten und ihrer spezifischen Identität. Es bestanden auch überhöhte Erwartungen dahingehend, dass die Partei sowohl das Zypernproblem als auch die innenpolitischen Angelegenheiten würde lösen können, was es ihr erschwerte, ihre Versprechen zu erfüllen.


Vor diesem Hintergrund waren die Wahlen durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

· Die rechtsgerichtete, von Nicos Anastasiades angeführte DISY kehrte nach zehn Jahren der Isolation mit 57,48% der Stimmen ins Amt zurück.

· Erstmals in der Wahlauseinandersetzung des Landes rückte die Wirtschaftskrise Diskussionen zum Zypernproblem in den Hintergrund.

· Traditionelle Parteiloyalitäten bröselten weiter. Der Prozentsatz an Nichtwähler_innen war mit 18,42% der höchste in der bisherigen Geschichte der Präsidentschaftswahlen in Zypern.  

· Erstmals sah sich die kommunistische AKEL mit beträchtlichen Hindernissen konfrontiert, ihre Anhängerschaft um ihren Kandidaten, Stavros Malas, zu scharen – ein unabhängiger Politiker, der nicht der Partei angehört. Allerdings gelang es ihr, Befürchtungen abzuwenden, es nicht in den zweiten Wahlgang zu schaffen, obwohl sie in Meinungsumfragen mit 26,91% hinter der tatsächlichen Stärke der Partei (die bei 32,67% liegt) zurückblieb.

· Die griechisch-zypriotische extreme Rechte trat das erste Mal zu Präsidentschaftswahlen an und erreichte 0,88% (3.899 Stimmen). Ihre Teilnahme war mehr eine Absichtsbekundung (im Hinblick auf die nächsten Parlamentswahlen) als ein substantielles Interesse an den Präsidentschaftswahlen an sich.

· Eine ideologische Verschiebung nach rechts war in diesem Wahlkampf offensichtlich und widerspiegelt sich auch in den Wahlergebnissen. Das könnte mit der erstmaligen Bekleidung des Präsidentenamts durch einen linksgerichteten Politiker in Zusammenhang stehen, was zu einer verstärkten antikommunistischen und anti-linken Stimmung in der Bevölkerung geführt zu haben scheint.

· Die Rolle der Medien war im Vergleich zu anderen Wahlen sehr unausgewogen und verdient daher besondere Beachtung: Obwohl sie ihre Unvoreingenommenheit betonten, verfolgte die Mehrheit der Medien eine gemeinsame Strategie gegen die Linke, zugunsten nur eines Kandidaten (Anastasiades).


Das Parteiensystem: Zeichen der Erneuerung?

Viele Zypriot_innen glauben, dass der Würgegriff durch politische Parteien einem Ende zugeht. Ob dies der Fall, verfrüht oder doch ein Irrtum ist, bleibt offen – insbesondere angesichts des bevorstehenden EU-Memorandums, das wohl zu einem Auslöser für viele Veränderungen werden wird. Jedenfalls gibt es schon jetzt sichtbare Anzeichen für solche Veränderungen.

Was die Linke betrifft, ist AKEL das erste Mal in der Ära nach 1974 politisch isoliert. Die Partei wird in Zukunft grundlegende Themen ansprechen und sich innerhalb des Parteiensystems neu positionieren müssen. Dies betrifft Fragen wie die ideologische Identität der Partei, die gesellschaftlichen und politischen Allianzen usw.

Das Hoch von DISY wird – angesichts der düsteren wirtschaftlichen Lage, in der sich das Land befindet – möglicherweise ein sehr kurzes sein. Der neue Präsident wird in den kommenden Wochen und Monaten sehr wichtige und potentiell spaltende Themen in Angriff nehmen müssen, zu denen die Privatisierung staatlicher Unternehmen und weitere Sparmaßnahmen zählen.

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