Alberto Garzón, der Spitzenkandidat der Izquierda Unida (IU) für die spanischen Parlamentswahlen im November, traf eldiario.es für ein Interview in seinem Büro im Abgeordnetenhaus des spanischen Parlaments, in dem sich nach zwei intensiven Wahlkampfwochen zu den Lokal- und Regionalwahlen am 24. Mai Briefe und Pakete stapeln. Aitor Riveiro führte das Interview.
Obwohl die Lokal- und Regionalwahlen am Sonntag, den 24. Mai über die Bühne gegangen waren, gönnt sich der IU-Spitzenkandidat keine Pause und geht nun nahtlos zur Vorbereitung der bevorstehenden Parlamentswahlen über. Er nimmt an Meetings teil, pflegt Medienkontakte und will nach der Wahlniederlage vom 24. Mai seine politische Organisation „neu aufbauen“: „Wir sind die Patriot_innen der IU und wir wollen die Organisation für den gesellschaftlichen Transformationsprozess erneuern.“
Für Garzón sind die Lehren, die aus den Lokal- und Regionalwahlen gezogen werden können, klar: „Für die kommenden Wahlen müssen wir den basisdemokratischen Prozess einer Vereinigung der transformatorischen Kräfte starten.“ Seiner Meinung nach sollten alle, die die Gesellschaft verändern wollen – und somit auch Podemos – an diesem Projekt beteiligt werden. „Sie haben bei den Regionalwahlen durchschnittlich 14 Prozent erreicht, jedoch kann man mit 14 Prozent nicht die Gesellschaft verändern“, so Garzón.
Ist die IU mit den Wahlergebnissen vom 24. Mai zufrieden?
Alberto Garzón: Nein. Um Politik betreiben zu können, muss man ehrlich und konsequent sein. Das Gesamtergebnis ist schlecht. Es stimmt zwar, dass wir auf kommunaler Ebene einige Mandate dazugewinnen konnten, wenn man IU-Kandidat_innen mitzählt, die für Listen der linken Wahlbündnisse [sog. Listen der unidad popular, Anm.] angetreten sind, jedoch müssen wir aus den Regionalwahlen den Schluss ziehen, dass wir die IU neu aufbauen müssen.
Wie wollen Sie die Partei neu aufbauen?
Der Weg erscheint mir klar und führt über die unidad popular – nicht nur für die IU, sondern für die gesellschaftliche Mehrheit und für die Bürger_innen, weil keine politische Gruppierung dieses Land im Alleingang verändern kann. Wenn die Kräfte der Linken und die sozialen Bewegungen mit gemeinsamen Wahllisten antreten, wird das von den Wähler_innen geschätzt und belohnt.
Die IU hat die unidad popular immer verteidigt und sich selbst als Impulsgeber dafür definiert. Hat die IU nach dem Wahlergebnis vom 24. Mai diese Rolle verloren?
Das Konzept der unidad popular ist sehr breit angelegt und beinhaltet eine strategische Wahlkomponente, wie etwa das Übereinkommen, gemeinsam bei Wahlen anzutreten, aber auch eine soziale Komponente des gesellschaftlichen Kampfes. Die unidad popular vereint die Kräfte der Mareas (Protestbewegungen zur Verteidigung des öffentlichen Bildungs-und Gesundheitswesens, bei denen sich die Arbeiter_innen des öffentlichen Dienstes mit Elterninitiativen, Patient_innen- und Flüchtlingsgruppen zusammenschlossen), der Bewegung gegen Zwangsräumungen PAH (Plattform zur Unterstützung von Betroffenen der Krise, die ihre Hypotheken nicht mehr bedienen können) sowie verschiedene andere Demonstrations- und Streikbewegungen. Daher ist die unidad popular transversal und parteiübergreifend. Niemand fragt nach dem Parteiausweis, wenn man eine Zwangsräumung stoppen oder das öffentliche Gesundheitswesen verteidigen will. Die IU war an allen Prozessen mitbeteiligt – sowohl jenen, die mit Wahlen zu tun hatten, als an den jenen die nicht mit Wahlen zusammenhingen. Die unidad popular kann allerdings weder vorrangige Akteur_innen, noch eine_n einzige_n Vertreter_in haben. Wenn das eine einzelne Kraft behaupten würde, wäre das eine zutiefst unehrliche Vereinnahmung. Das haben wir auch aus der 15-M-Bewegung gelernt. Ich war dort, ich habe damals die Forderungen der Bewegung im Fernsehen verteidigt, aber ich war nicht der Sprecher der 15-M-Bewegung.
Die soziale Komponente ist nicht leicht zu definieren, aber die Wahlkomponente ist quantifizierbar und man kann daran ablesen, wie die verschiedenen Wahlbündnismodelle am 24. Mai abgeschnitten haben. Welchen Schluss ziehen Sie aus den unterschiedlichen Wahlergebnissen?
Die gemeinsamen Kandidaturen waren zum Teil schon zur Gänze entwickelt und zum Teil nicht. Der Kontext, die Umstände, die Überzeugungen und der Rhythmus waren jeweils unterschiedlich. Daraus leiten sich die verschiedenen Ergebnisse ab. Ich glaube, dass wir in Spanien noch nie so viele gute Wahlergebnisse in großen Städten wie Barcelona, Madrid, Zaragoza, Santiago oder A Coruña für uns verbuchen konnten; darüber hinaus verzeichneten wir auch eine Reihe guter Wahlergebnisse in Salamanca, Palencia und Burgos. Dieser Erfolg ist leider auf regionaler Ebene ausgeblieben. Da haben sich zum Teil andere politische Akteur_innen durchgesetzt, aber die politische Landschaft bleibt fast unverändert.
Warum gibt es diese Dichotomie?
Bei den Kommunalwahlen kam es zu einem klaren Bruch mit der Vergangenheit, weil es Kandidaturen der unidad popular gab, die von unten kamen, zum Teil mit partizipativen Vorwahlprozessen und dem Mehrwert bekannter Politiker_innen. Jedoch haben die Kandidat_innen auch dort, wo sie nicht so bekannt waren, bemerkenswerte Wahlergebnisse erzielt. Die Wähler_innen zogen also offensichtlich das Konzept des unidad popular Wahlbündnisses den anderen Kandidaturen vor und belohnten es mit ihren Stimmen. Das hat sich vor allem in Madrid klar gezeigt: Ahora Madrid bekam 500.000 und Podemos 280.000 Stimmen.
Welchen Schluss ziehen Sie daraus?
Im Hinblick auf die Parlamentswahlen müssen wir, um Spanien zu verändern, einen partizipativen Prozess der unidad popular von unten einläuten, wie man ihn bei diesen Wahlen beobachten konnte.
Sie haben Madrid erwähnt: Das ist die Stadt, die die Wahlniederlage der IU vom 24.Mai vielleicht am deutlichsten widerspiegelt. An demselben Tag nannte Sie die Kandidatin der IUCM (Izquierda Unida Comunidad de Madrid), Raquel Lopez, „erbärmlich“. Wie gehen Sie mit der Lage der IU in Madrid um?
Politik muss konsequent und ehrlich, aber auch elegant sein. Wenn die Politik anfängt, jemanden persönlich zu beleidigen, hört sie auf, Politik zu sein. Ich werde mich nicht auf dieses Niveau herablassen. Die Situation in Madrid ist jedoch sehr ernst, weil die Lage dort sehr komplex ist und IU-Aktivist_innen auf zwei verschiedenen Listen für die Kommunalwahlen standen. Das war auch der Grund, weshalb die IU die Kandidatur von Raquel Lopez nicht anerkannt hat. Die vereinbarte Vorgehensweise war nicht eingehalten worden.
Die Wähler_innen haben sich mit ihrer Wahl klar ausgedrückt und haben gezeigt, dass Madrid die Kandidatur des Wahlbündnisses der unidad popular äußerst gut aufgenommen hat. Damit meine ich auch Städte wie Getafe, Leganés, Alcorcón, Fuenlabrada und so weiter. Viele Aktivist_innen mussten wegen der Parteispitze der IUCM aus der IU austreten. Zum Beispiel Mauricio (Valiente, Kandidat von Ahora Madrid) oder Vanessa (Lillo, Kandidatin in Getafe), die in der IUCM die Vorwahlen gewonnen hatten und dann IUCM verlassen mussten. Sie sind aber trotzdem politisch aktiv geblieben und haben mit ihrem Engagement bewiesen, dass diese politische Linie unglaubliche Resultate bringen kann, die den Prozess des Aufbaus der unidad popular unterstützen und stärken können. All diese Personen sind für das Projekt der IU notwendig und jetzt stehe ich vor der Aufgabe, die Linke in all ihren Bereichen neu aufzubauen, um das Projekt der unidad popular zu unterstützen.
Bedeutet dieser Neuaufbau, dass IUCM aus dem Parteienverband der IU ausgeschlossen wird?
Das ist Teil einer kollektiven internen Debatte, die noch nicht stattgefunden hat, und ich werde an dieser Stelle nicht darauf eingehen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es hier um die Zukunft der nächsten Generationen geht, es geht nicht darum, an bestimmten Sitzen oder Abgeordneten festzuhalten, sondern darum, an einer gesamtgesellschaftlichen Transformation teilzunehmen, die die Konsolidierung des Neoliberalismus verhindern kann. Und das erfordert in Madrid das Zurückholen aller Aktivist_innen, die weggegangen sind, und die Vereinigung aller Kräfte, die demselben Projekt wie die IU angehören.
Cayo Lara [Vorsitzender der IU, Anm.] hat die Kandidatur von Raquel Lopez offen unterstützt, obwohl die Parteispitze diese Kandidatur abgelehnt hat. Wird diese persönliche Entscheidung Konsequenzen haben?
Die Position der IU auf nationaler Ebene war von Anfang an klar. Sie wurde auch in einem Beschluss, der für jeden und jede einsehbar ist, veröffentlicht. Darin steht, dass die Kandidatur nicht anerkannt wurde, daher haben die Vorsitzenden der Partei, indem sie diese Entscheidung respektiert haben, richtig gehandelt. Einige Parteivorsitzende haben IUCM unterstützt, während andere Ahora Madrid unterstützt haben, jedoch haben sie das nicht als Vertreter_innen der IU getan, sondern als Privatpersonen. Jede weitere Frage muss sich an Cayo richten, nicht an mich.
Gestern war der Tag, an dem wir uns mit den Wahlergebnissen auseinandergesetzt haben, heute ist der erste Tag, an dem wir damit beginnen, das Projekt der unidad popular aufzubauen, um die Parlamentswahlen zu gewinnen. Das ist meine Rolle, denn ich bin der Spitzenkandidat der IU für die Parlamentswahlen. Ich bin kein Kandidat, der der Partei einfach nur sein Gesicht leiht, um Stimmen zu gewinnen, sondern ich will ein politisches Projekt entwickeln und alle Kräfte mobilisieren, damit wir erfolgreich sind. Ich will jetzt die Lehren aus den Regional- und Kommunalwahlen ziehen, die sich aus der Stimmabgabe der Wähler_innen ziehen lassen, um für die Parlamentswahlen einen ehrlichen, breit angelegten, partizipativen Aufbauprozess von unten zu starten.
Wodurch zeichnet sich dieser Gründungsprozess der unidad popular aus? Was ist Ihr Vorschlag?
Jeder Konvergenzprozess kann nur mithilfe eines programmatischen Rahmenprogramms, das gemeinsam erarbeitet werden muss, stattfinden. Das hat man auch bei Ahora Madrid, Barcelona Comú oder Zaragoza en Común gesehen. Wie Julio Anguita gesagt hat, sollte sich Politik auf „Programm, Programm und noch mal Programm“ stützen.
Abgesehen davon wissen wir, dass dies nicht einfach ein Treffen der Parteispitzen sein kann, die im Parlament vertreten sind. Es muss ein absolut partizipativer, demokratischer Prozess sein, der zur Gänze von den Aktivist_innen gestaltet werden kann. Das wird dann zu Vorwahlen und anderen Mechanismen für den Aufbau eines Wahlbündnisses führen. Das ist die Idee und wir haben noch genug Zeit, um diese Dinge zu besprechen.
In Galizien, Barcelona oder Madrid rückten die Initialen und das Logo der Partei etwas in den Hintergrund. Ist die IU, abgesehen von Ihrer persönlichen Meinung, die Sie bereits geäußert haben, bereit, ihre Initialen zugunsten eines Wahlbündnisses aufzugeben?
Wir stehen in einer der schönsten und konsequentesten politischen Traditionen überhaupt, der kommunistischen, sozialistischen und republikanischen Tradition. Eine Tradition, die uns zu Pepe Diaz und dem Frente Popular geführt hat. Ich bin Mitglied der PCE, die seit 1986 nicht mehr mit den eigenen Initialen an Wahlen teilgenommen hat, sondern Teil des IU-Projekts und der spanischen Linken ist. Dabei ist die PCE jedoch völlig unabhängig und autonom geblieben.
Was Madrid, Barcelona, Santiago oder A Coruña bewiesen haben, ist, dass die Aktivist_innen der IU einen wichtigen Teil der Kandidaturen der unidad popular ausmachen; die IU löst sich nicht auf, sie bringt sich in diesen Prozess ein. Das ist die Wahrnehmung der Mehrheit, nicht eine generalisierte Wahrnehmung. Sie deckt sich auch mit den Dokumenten, die im Laufe des neunten und zehnten IU-Parteitags verabschiedet wurden, aber auch mit jenen des ersten Parteitages. Der Grundgedanke der IU ist es, notwendige gesellschaftliche Veränderungen voranzutreiben, reine Wahlthemen sind dabei zweitrangig.
Aber es gibt doch erheblichen Widerstand innerhalb der Organisation, besonders vonseiten wichtiger Vertreter_innen der IU. Kann er überwunden werden?
Es gibt gewissen Widerstand – das zu leugnen wäre unehrlich – aber es betrifft nur eine Minderheit, und wir werden ihn überwinden. Ich bin nicht der Meinung, dass man hier von einem „erheblichen Widerstand“ sprechen kann. Erstens habe ich den Eindruck, dass die Aktivist_innen wissen, was sie wollen. Zweitens ist das politische Projekt durchaus konsequent. Und drittens wollte bei den Vorwahlen niemand gegen mich antreten. Wir verteidigen das Projekt der IU, wir sind die Patriot_innen der IU und wollen die Organisation zugunsten eines gesellschaftlichen Transformationsprozesses unterstützen.
Braucht es innerhalb der IU einen Wechsel, um diese Wiederstände abzubauen und einen Konvergenzprozess für die Parlamentswahlen zu initiieren?
Wir haben vor einigen Monaten einen internen Erneuerungsprozess in die Wege geleitet; meine Kandidatur als Ministerpräsident ist ein klares Zeichen dieser Erneuerung. Wir sind unter anderem zu dem Schluss gekommen, dass die IU zum Teil nicht mehr zeitgemäß war und dass man das korrigieren muss. Deshalb gehe ich auch in das Rennen für das Amt des Ministerpräsidenten: Damit die IU wieder den Herausforderungen des gegenwärtigen historischen und politischen Momentes gewachsen ist.
An wen richtet sich Ihr Appell einer unidad popular und wer sollte darin vertreten sein?
Ich vertrete dieses politische Projekt mit großer Bescheidenheit, und ich bin der Überzeugung, dass wir hier einen wichtigen Betrag leisten können, wie wir in verschiedenen Städten bewiesen haben. Das Projekt steht allen offen, die sich davon angesprochen fühlen. Damit meine ich bereits bestehende politische Organisationen, wie Podemos, Equo und viele andere, gesellschaftliche Bewegungen, Nachbarschaftsorganisationen und engagierte Gewerkschaften – also alle Akteur_innen, die an einem gesellschaftlichen Transformationsprozess beteiligt sind, der von linken Werten und Prinzipien geprägt ist. Je mehr Menschen sich daran beteiligen, desto besser wird ein tiefgreifender Erneuerungsprozess gelingen. Denn es steht nicht nur die nächste Regierungsperiode auf dem Spiel, sondern unsere Zukunft.
Glauben Sie Podemos wird sich an einem Wahlbündnis beteiligen, bei dem es, wie Sie vorhin erwähnt haben, keinen alleinigen Impulsgeber gibt?
Podemos ist eine Organisation, die als ein bahnbrechendes Erneuerungsprojekt entstanden ist, was auch viele Menschen inspiriert und begeistert hat. Dank ihrer radikalen Identität und ihrer Offenheit gegenüber eines Dialogs und einer Konvergenz innerhalb der Linken, haben sie bei den Europawahlen gute Resultate erzielt. Wenn ich mit den Parteikreisen von Podemos spreche, habe ich den Eindruck, dass sie für ein Wahlbündnis offen sind und den Nutzen davon erkennen.
Podemos hat bei den Regionalwahlen durchschnittlich 14 Prozent erreicht. Und mit 14 Prozent kann man die Gesellschaft nicht verändern. Die IU nahm immer eine kritische Rolle ein und es wurde oft gesagt, dass die IU sich nicht mit 5, 10 oder 15 Prozent zufriedengeben kann, weil es unser Ziel ist, die Mehrheit der Gesellschaft zu vertreten und die Gesellschaft zu verändern. Daher glaube ich, dass wir ehrgeiziger sein sollten. Es ist schön, dass wir in Madrid, Barcelona und vielen anderen Städten ein Erfolgsrezept gefunden haben.
Ich schätze Pablo (Iglesias) persönlich sehr und auch seine politischen Fähigkeiten. Er ist intelligent und begabt. Ich bin überzeugt, dass er den historischen Moment richtig interpretieren wird. Das hat mir Yolanda Diaz (Koordinatorin der IU in Galizien), die diese politische Linie verfolgt, bestätigt. Pablo war stark am Prozess beteiligt, der zu dem Erfolg der Alternativa Galega de Esquerda geführt hat, und ich glaube, er wird diese Entscheidungen in seiner Organisation treffen. Als betroffener Bürger hoffe ich das aufrichtig, denn wir müssen die Konsolidierung des Neoliberalismus in diesem Land verhindern.
Hatten Sie seit Sonntag Kontakt mit ihm?
Nein. Wir waren beide bei der Fernsehsendung Los desayunos de TVE, aber wir hatten keine Zeit uns zu unterhalten. Wir werden uns bald mit den verschiedenen Aktivist_innen und Organisationen treffen, um dieses Projekt der unidad popular aufzubauen. Es wird keine vorherrschende treibende Kraft geben, das Projekt wird von den Aktivist_innen und dem gemeinsamen Dialog getragen werden. Der Prozess der unidad popular, wie wir ihn bei Ganemos Madrid, die später Ahora Madrid geworden ist, gesehen haben, braucht einen breiten gemeinsamen Dialog, denn man muss sich über viele Inhalte und Meinungsunterschiede einig werden. Um uns auf ein gemeinsames Minimalprogramm zu einigen, müssen wir uns noch in vielen Punkten einig werden.
Mit den Parlamentswahlen im November geht ein intensiver Wahlzyklus zu Ende. Endet damit auch die Möglichkeit zu einer tiefgreifenden Veränderung?
Es wird Veränderungen geben. Wirtschaftsexpert_innen, die dem System kritisch gegenüberstehen, wissen, dass es darum geht, das überholte kapitalistische Modell von Produktion und Konsum zu erneuern. Auch in der PP vollziehen sich gerade große Veränderungen, und die PSOE hat ebenfalls damit begonnen. Dieser Prozess hat, wie wir 2011 gesehen haben, zu dramatischen Veränderungen innerhalb des sozialen Gefüges, der Gesetzeslage und der Verfassung geführt. Es wird auch zu Veränderungen auf gesellschaftlicher Ebene und im Bereich der Umweltpolitik kommen.
Das eigentliche Problem ist daher das Resultat dieser Veränderung; ob sie nun von der Rechten oder der Linken gestaltet werden wird. Die wahre Herausforderung besteht darin, ob es zu einer Konsolidierung des Neoliberalismus kommen wird, oder ob ein Erneuerungsprozess auf konstitutioneller, wirtschaftlicher und politischer Ebene eingeleitet werden kann. Das große Risiko hierbei ist, dass sich ein Lebensstil durchsetzen könnte, der von prekären Lebensverhältnissen, strukturellen Umwälzungen und zweifelhaften Arbeitsverträgen geprägt ist. Wenn die Vertreter_innen der PP und der PSOE, die der „Troika“ gehorchen, weiterhin dieses Land regieren, wird die Veränderung zu einer katastrophalen Gesellschaftsordnung führen.
Das Originalinterview in spanischer Sprache wurde veröffentlicht auf: http://www.eldiario.es/politica/Alberto-Garzon-elecciones-reconstruir-IU_0_391961830.html Aus dem Englischen von Stefania Schenk Vitale