Bahnbrechender Erfolg für die Vereinigte Linke: 6% der Stimmen, 6% Sitze

Der Teufelskreis des Antikommunismus im post-jugoslawischen Kontext ist durchbrochen. Im Folgenden die wichtigsten Eckpunkte zum Wahlkampf, um das historische Resultat in einen Zusammenhang zu setzen.

Sämtliche Kommentator_innen waren sich einig: Die große Überraschung des Wahlabends stellte das Ergebnis der Allianz der Vereinigten Linken (Združena levica, ZL) dar. Der Weg zu diesem historischen Wahlerfolg war jedoch steinig, da dem Linksbündnis von Anfang an eine Außenseiterrolle zugeschrieben wurde. Hier nun ein Überblick über die Eckpunkte des Wahlkampfs.
Vorgezogene Wahlen und mediale Diskriminierung als Hindernisse
Bei vorgezogenen Wahlen handelt es sich naturgemäß um ein außerplanmäßiges Ereignis. Die Verschärfung der seit Jahren andauernden kapitalistischen Krise, gekennzeichnet von extremen Sparmaßnahmen und einer ausgeprägten Privatisierungspolitik (in den vergangenen Monaten wurden einige große und angesehene Unternehmen billig verkauft, wie etwa Helios und Mercator, zahllose weitere Privatisierungen sind in Planung), sowie die Unruhen des letzten Jahres und die ständigen Unstimmigkeiten innerhalb der Regierungskoalition führten zu diesen vorzeitigen Wahlen. Die Entscheidung, sie mitten im Sommer abzuhalten, setzte neue politische Kräfte wie die ZL, die Piratenpartei und andere stark unter Druck: Wie sollte man einen nur einmonatigen Wahlkampf mit äußerst bescheidenen Mitteln (lukriert über eine Crowdsourcing-Kampagne), mit einer schwachen Parteiinfrastruktur auf Lokalebene und einer extrem voreingenommenen Medienlandschaft, die kleinen Parteien kaum eine Chance lässt, führen? Die Medien luden die ZL üblicherweise nur zu Diskussionsrunden mit anderen außerparlamentarischen Parteien ein. Das Hauptproblem stellte jedoch der Zeitpunkt der Wahl im Sommer dar, da im Juli viele Wähler_innen gerade ihren Urlaub in Anspruch nahmen oder sich auf die Fußball-WM konzentrierten. Umfragen prognostizierten der ZL konstant ein Ergebnis von 2 – 2,5%, wonach sie hinter allen großen Parlamentsparteien auf dem 8. Rang zurückliegen und auch das Ziel, die 4%-Schwelle zu überwinden und ins Parlament einzuziehen, verfehlen würde.
Landesweiter Basiswahlkampf der ZL
Die ZL hatte sich jedoch dazu entschlossen, nicht einfach via Medien und Gruppeninteressen zu kampagnisieren, sondern konzentrierte sich im Wahlkampf ganz auf ihre Basis. Landesweit wurden unzählige lokale Veranstaltungen organisiert, bei denen im direkten Gespräch mit den Menschen und über Vorträge Aktivist_innen und Sympathisant_innen für die Vereinigte Linke gewonnen werden konnten. Dadurch gelang es, eine Basis auf Lokalebene zu schaffen, auf die die ZL auch in Zukunft wird aufbauen können. Dieser Prozess der Arbeit an der Basis war für die Vereinigte Linke von größter Wichtigkeit – so schaffte sie es, sich auch außerhalb von Ljubljana, Maribor und den anderen urbanen Zentren zu etablieren, in denen sie bereits bei den Europawahlen Ende Mai Unterstützung hatte gewinnen können (5,5% – hier eine Analyse).
ZL in Opposition zu Privatisierungen
Als einzige politische Kraft mit konkreten Vorschlägen zur Überwindung der Krise und zum Übergang zu neuen Organisationsformen (Kooperativen, Arbeitsselbstverwaltung, Schuldenabschreibungen, demokratische Bankenkontrolle, Staatsunternehmen) machte sich die ZL im Wahlkampf besonders auch für ein Thema stark: Das Ende der Privatisierungen. Als die bekannte Einzelhandelskette Mercator gegen Ende des Wahlkampfs vom kroatischen Konzern Agrokor übernommen wurde, zeigte sich zweierlei: Zum Einen wurde klar, dass sich einzig die Vereinigte Linke um kritisches Bewusstsein zu diesem Thema bemühte, und zum Anderen, dass sich die Bekämpfung von Privatisierungen ohne Druckmöglichkeit in politischen Institutionen extrem schwierig gestaltet.
Die Partei Miro Cerars – wertorientiert, kulturell konservativ
Einen weiteren Neuzugang im slowenischen Parteienspektrum – mit liberalem Anstrich und der politischen Mitte zuzuordnen – stellte Miro Cerars Partei dar. Sie stützt sich hauptsächlich auf die Verteidigung moralischer „Werte“ und Rechtsstaatlichkeit (Korruptionsbekämpfung). Miro Cerar ist Rechtsanwalt und arbeitete u.a. schon an der slowenischen Verfassung mit. Umfragen prognostizierten seiner Partei erstaunliche 35% der Stimmen. Die Medien stellten sie als die große, neue Überraschungpartei und designierte Wahlsiegerin dar und orteten in ihrem Erfolg die Unzufriedenheit der Wähler_innen mit den existierenden Parteien und der herrschenden Korruption. In seiner an Moral und Rechtsstaatlichkeit orientierten Grundhaltung wurde der Parteichef in der letzten Wahlkampfwoche quasi „entlarvt“, als er sich negativ über die gleichgeschlechtliche Ehe, das Recht auf Abtreibung und anderes äußerte. Darin offenbarte sich seine reichlich konservative Sicht hoher „moralischer Werte“.
Diese neue Partei der Mitte stellte die Linksallianz vor eine weitere Herausforderung: Wie sich nicht nur als Gegenpol zu den existierenden Parteien positionieren, sondern auch als Stimme gegen die bestehende Wirtschaftsordnung und als radikalere Alternative jenseits einer Befürwortung von „Privatisierungen mit moralischem und transparentem Antlitz“?
Wachsende Zustimmung zum Wahlkampfende
Abseits kontinuierlicher Basisarbeit und neben Berichten, Interviews etc. auf lokaler Ebene erhielt die Vereinigte Linke in der letzten Wahlkampfwoche eine einzigartige Chance: Ein bekannter Vertreter der Partei, der Koordinator Luka Mesec, wurde gemeinsam mit Vertreter_innen aller großen Parteien zu einer abschließenden TV-Debatte eingeladen, die auf dem beliebten Sender POP TV gezeigt wurde. Seine Argumentationsstrategie, sein neuartiges politisches Bewusstsein und die kritische Stimme der ZL erstaunten die Vertreter_innen der etablierten Parteien und führten zum überraschenden Anstieg der Prognosen auf über 4% der Stimmen. In den letzten Tagen vor der Wahl sprachen viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens – von Intellektuellen und Aktivist_innen bis zu Vertreter_innen sozialer Bewegungen und Musiker_innen – ihre Unterstützung für die Vereinigte Linke aus.
Wahlergebnisse
Die Auszählung (exklusive Briefwahl und Stimmen aus dem Ausland) ergab folgende vorläufige Ergebnisse: Als Wahlsiegerin ging Miro Cerars Partei (34,6%) hervor, die Slowenische Demokratische Partei erreichte Rang 2 (20,7%), die Pensionistenpartei Desus Rang 3 (10,2%). Auf den vierten Platz schaffte es mit einem Überraschungserfolg die Vereinigte Linke (6%). Die Sozialdemokraten liegen mit 5,9% an fünfter Stelle, auf dem sechsten Rang rangiert die katholische Partei Neues Slowenien (5,5%), und die letzte Partei, die die 4%-Hürde nahm, ist die Partei der ehemaligen Premierministerin, das Bündnis Alenka Bratušek.
Die Wähler_innen der Vereinigten Linken
Die Vereinigte Linke konnte viele Erstwähler_innen für sich gewinnen, und ebenso Wähler_innen, die sich am Prinzip des „geringeren Übels“ orientiert hatten. Daher konnte sich die ZL in einem Wahlkampf, der von einer Spaltung in Pro- und Anti-Janša-Anhänger_innen dominiert war, abseits positionieren (Janša ist ehemaliger Premier Sloweniens, Präsident der Slowenischen Demokratischen Partei und derzeit wegen Korruptionsvorwürfen in Haft). Das Wahlergebnis drückt den generellen Widerstand gegen eine neoliberale Lösung für die Krise aus.
Das Resultat stellt jedoch erst einen Anfang dar. Damit wurde der Weg für eine Zukunft geebnet, die erst aufgebaut werden und sich vom Neoliberalismus abwenden muss. Ein ökologischer und demokratischer Sozialismus wird nötig sein, damit sich die neue Linke in Slowenien, Europa und der ganzen Welt weiter vernetzen und Erfolge feiern kann.

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