Wir, ich meine hier die Linke im breiten Sinn, die sozialen Bewegungen, die Gewerkschaften, die Frauenbewegungen und die Parteien, haben auf diesem Weg einiges erreicht. Trotzdem müssen wir uns klar machen, dass es uns bislang nicht geglückt ist, den eisernen Ring der Austerität zu zerbrechen, der um Europas Gesellschaften gelegt ist.
Die politische Dynamik geht in der europäischen Krise noch zu wenig von der radikalen Linken und zu stark von der radikalen, nationalistischen Rechten aus. Noch ist es uns nicht gelungen, aus dieser Gefahr den Weg zu einer europäischen Alternative zu öffnen.
Der dem Kongress vorliegende Vorschlag, ein jährliches Forum der linken und alternativen Kräfte abzuhalten, kann sich zu einer wichtigen Initiative in dieser Richtung entwickeln, wenn wir alle gemeinsam und konzentriert darauf hinarbeiten.
Wir brauchen einen Raum der Linken, in dem sich die verschiedenen Initiativen – Diem25, Plan B, AlterSummit, Blockupy etc., Gewerkschaften, Bewegungen und politische Parteien – finden. Wir brauchen respektvolle Debatten, die weniger darauf gerichtet sind, uns gegenseitig von der Richtigkeit der eigenen Standpunkte zu überzeugen, sondern darauf, im Argument des Anderen einen nützlichen Beitrag zur Bestimmung einer gemeinsamen Strategie zu erkennen.
Das Klima in Europa hat sich verändert. Euro-Skeptizismus hat nicht nur in den Bevölkerungen, sondern auch in der Linken an Einfluss gewonnen.
Die Desillusionierung über die real existierende EU hat etwas Heilsames, aber nur dann, wenn wir nicht in eine andere Illusion verfallen und glauben, dass ein Scheitern der europäischen Integration Europa und die Welt der Lösung der großen Probleme, vor denen die Gesellschaften stehen – Klimawandel, globale Ungleichheit, Flucht und Migration, Kriegsgefahr, Aufhebung der Geschlechterbenachteiligung – auch nur einen Zentimeter näher brächte. Nichts würde sich daran ändern, ein auf Nationalismus aufbauendes Europa wäre um nichts weniger kapitalistisch und imperialistisch!
Wir wollen und wir werden die Rechte unserer Völker verteidigen, im Rahmen der demokratischen Möglichkeiten der nationalen Demokratien ihre Zukunft zu bestimmen, aber wir werden keine Nationalisten werden. Demokratie im nationalstaatlichen Rahmen und transnationale Demokratien stellen keinen Gegensatz dar, sondern müssen einander ergänzen.
Es ist ein bequemes Vorurteil, dass Geschichte sich nicht wiederholen könne. Selbst Marx, der uns versprochen hat, dass geschichtliche Tragödien sich als Farce wiederholen, muss nicht unbedingt Recht halten. Manchmal wiederholen sich Tragödien auch als Tragödien.
Europas Geschichte gleicht einem neurotischen Zyklus, in dem ungelöste Konflikte, angereichert durch neue Widersprühe, immer wieder kehren und sich in Krisen und Erschütterungen entladen haben.
Das ist es, was uns die heutigen Kriege und vor allem das Anwachsen einer autoritären, nationalistischen Rechten in ganz Europa vor allem lehren.
Diese Gefahr ist es, die unserer Strategie neue Parameter setzt und die unsere Verantwortung in der vor uns liegenden Periode definiert.
Europa ist Teil einer globalen Transformation, die alle politischen und weltanschaulichen Kräfte, Sozialdemokratie, Grüne, Gewerkschaften, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Künstler_innen und Intellektuelle auf die historische Probe stellt.
Wir sollten mit allen Kräften guten Willens in ehrlichen Dialog eintreten. Wir sollten dabei bleiben, was wir sind. Wir sind keine Populist_innen. Wir sind Linke, Sozialist_innen, Kommunist_innen, Feminist_innen und Internationalist_innen.
Rede vom 16. Dezember am 5. Parteitag der Partei der Europäischen Linken (EL) in Berlin.