Die Herausforderung bewältigen, mit der uns die Krise konfrontiert

In möchte versuchen, mich der notwendigen intensiveren Zusammenarbeit zwischen sozialen Bewegungen und politischen AkteurInnen zu widmen, wenn es darum geht, einen Ausweg aus der Krise in Europa zu finden, ausgehend von der nationalen Ebene. 

Diese Entscheidung beruht auf der Überzeugung (die durch die Entwicklungen in Griechenland in den letzten drei Jahren bestärkt wurde), dass die Übernahme der politischen Macht in einem europäischen Land – vorzugsweise in einem, das der Eurozone angehört – eine notwendige, wenngleich nicht ausreichende Bedingung für eine Neugründung Europas darstellt, was wiederum den einzigen Weg darstellt, die soziale Katastrophe, den undemokratischen Autoritarismus und den Aufstieg von Rechtsextremismus, wenn nicht sogar Faschismus, zu stoppen. 

Der Wahlsieg von SYRIZA bei den griechischen Wahlen im Juni 2012 und die Bildung einer radikalen linken Regierung, die entschlossen gewesen wäre, sich nicht den neoliberalen Diktaten der Troika zu beugen, hätte einen wirklichen politischen Durchbruch bedeutet, einen Riss durch das neoliberale EU-Gebäude. Eine mögliche Ansteckung anderer EU-Länder durch den Erfolg einer kleinen politischen Kraft in einem kleinen Land im Süden Europas (der leider nicht eintrat) hätte den Beginn eines echten Wandels in Europa und der Welt signalisieren können.

FreundInnen und GenossInnen, die diesen Ausführungen lauschen, in denen ich die Bedeutung des „Nationalen“ und des „Politischen“ betone, könnten denken, dass ich mich zu einem „europafeindlichen Parteibürokraten“ gewandelt habe, auf jeden Fall aber, dass mein Beitrag nichts mit den Titel und dem Ziel dieser Diskussion zu tun hat, mit unserem Treffen hier in Florenz und dem Alter Summit-Prozess.

Dem ist natürlich nicht so. Meine Absicht besteht darin, den Fall Griechenland als aussagekräftiges Beispiel für ein erfolgreiches „Zusammentreffen“ sozialer und politischer AkteurInnen heranzuziehen, das auch auf europäischer Ebene stattfinden könnte und sollte. Ich stelle das Wort „Zusammentreffen“ unter Anführungszeichen, damit kein Missverständnis dahingehend entsteht, es hätte irgendein „Dialog“ an einem runden Tisch zwischen VertreterInnen von Parteien, Gewerkschaften und der Bewegung der indignados stattgefunden.

Was wirklich passierte war, dass die widerständigen Aktionen gegen die Politik der verschiedenen Regierungen und der Troika, die sowohl von den Menschen im allgemeinen wie auch von den sozialen und politischen Kräften ausgingen und sowohl spontan als auch unabhängig und autonom stattfanden, sich in einigen mehr oder minder gemeinsamen Zielen trafen, so als ob sie von der „unsichtbaren Hand der Geschichte“ gelenkt worden wären. Dieses gemeinsame Marschieren war sicherlich aufgrund der Tatsache möglich, dass eine beträchtliche Zahl politischer AktivistInnen entweder eng mit den Gewerkschaften in Verbindung stand oder aktiv an sozialen Bewegungen beteiligt war, worin sie der Tradition eines Teils der radikalen politischen Linken Griechenlands, einschließlich SYRIZA, gefolgt waren.

Um es deutlicher zu sagen: Das spektakuläre Wahlergebnis von 27 %, das SYRIZA im Juni 2012 erringen konnte, war nicht das automatische Ergebnis der Krise und der extremen Sparpolitik. Es war das Ende eines Prozesses, der zeitlich sehr komprimiert ablief und mit einer Welle spontaner sozialer Unruhen im ganzen Land – insbesondere in Athen und den anderen großen Städten –aber auch mit Generalstreiks und Besetzungen von Fabriken und öffentlichen Gebäuden, Demonstrationen und Akten zivilen Ungehorsams, wie bspw. der spontanen „Wir zahlen nicht“-Initiative, begann (Letztere richtete sich gegen Gebühren, die Teuerung der Fahrkarten, die Stromrechnung etc.). Es waren Aktionen wie diese, die Gewerkschafterinnen, AktivistInnen aus Parteien und sozialen Bewegungen und nicht organisierte Menschen zusammenführten. Sie zwangen Papandreou dazu, seinen Platz zugunsten des nicht-gewählten Technokraten Papademos zu räumen, der sich selbst wiederum zum Rücktritt und zur Ausrufung von Wahlen von Mai 2012 gezwungen sah. In diesem Zeitraum spielte das „Soziale“ innerhalb der politischen Entwicklungen eine zentrale Rolle.  

Die Tatsache, dass sich SYRIZA nach diesen Wahlen weigerte, in eine Regierung der „nationalen Einheit“ einzutreten (wobei sie die vorherigen, negativen Erfahrungen anderer radikaler linker Parteien berücksichtigt hatte) und den Anordnungen der Troika zu gehorchen, war für die Neuwahlen im Juni verantwortlich, die – wie ich bereits sagte –, den Verlauf der Geschichte in Europa hätten ändern können. Zu jener Zeit aber scheint das „Politische“ wichtiger gewesen zu sein.

Ich habe nur deshalb Bezug auf die griechische Erfahrung genommen, um die Wichtigkeit des „Zusammentreffens“ und der Zusammenarbeit von sozialen und politischen AkteurInnen zu zeigen, wobei es nicht beabsichtigt war, dies als Modell für andere europäische Länder oder als ein europäisches Modell der Zusammenarbeit zwischen sozialen und politischen AkteurInnen darzustellen. Die Art und Weise, wie wir bewusst und sorgsam eine breite Zusammenarbeit auf europäischer Ebene vorbereiten sollen, gehört zu den Themen, über die wir hier in Florenz zu diskutieren begonnen haben und die in der unmittelbaren Zukunft im Zentrum unserer Bemühungen stehen werden.

An diesem Punkt möchte ich zu meiner ursprünglichen These über die Bedeutung des „Nationalen“ und des „Politischen“ für einen Wandel in Europa zurückkehren, indem ich nochmals klar zum Ausdruck bringe, was ich am Beginn im Hinblick auf notwendige und ausreichende Bedingungen gesagt habe. Kein politischer Erfolg in einem einzigen europäischen Land kann nachhaltig sein, wenn ihm nicht innerhalb kurzer Zeit ähnliche Erfolge in anderen Ländern folgen. Eine fortschrittliche Insel inmitten eines reaktionären Archipels ist ein Ding der Vergangenheit. Schließlich, und auch um Missverständnisse zu vermeiden, besteht für einige von uns das Hauptziel darin, ein Europa der radikalen Subjektivität zu errichten, das sich in unseren Kämpfen um gesellschaftliche Transformation zu den entsprechenden nationalen Subjektivitäten komplementär und nicht antagonistisch verhält. Das ist der Grund, warum in der gegenwärtigen Krise ein breites Bündnis und breite Zusammenarbeit von sozialen und politischen AkteurInnen auf europäischer Ebene absolut notwendig ist. Daher unterstützen wir aus voller Überzeugung den Alter Summit-Prozess. Und das ist auch der Grund, warum wir uns freuen würden, wenn dieses große Ereignis nächsten Sommer in Athen stattfände.

 

Diese Rede wurde beim Florenz10+10-Treffen gehalten.

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