Frankreich: Drei Monate nach dem Antritt der Regierung

Drei Monate nach Amtsantritt steht die Politik der neuen Regierung bereits im Zentrum großer sozialer und politischer Auseinandersetzungen.
Statt der Ansage des Präsidentschaftskandidaten, die EU umorientieren zu wollen, steht die bedingungslose Ratifikation des Europäischen Fiskalpakts* auf der Tagesordnung. Statt der Versprechung, unakzeptable Kündigungspläne in Hinkunft nicht mehr durchgehen zu lassen, setzen sich diese laufend in Kernbereichen der französischen Wirtschaft durch. Die ersten positiven Maßnahmen für mehr soziale Gerechtigkeit verlieren zunehmend ihre Effizienz auf Grund der verstärkten Austeritätspolitik. Präsident, Regierung sowie die Sozialistische Partei zeigen keinen Willen, aktiv den neoliberalen Maximen der herrschenden Eliten entgegenzutreten. Keine Rede mehr von „le changement – c’est maintenant“. Unternehmerverbände und politische Rechte nützen im Verbund mit den europäischen neoliberalen Eliten diese Lage, um ihre Offensive auszubauen und wohl auch die Regierung zum Scheitern zu bringen.

Konkret ist für den Herbst nach der Ratifikation des Fiskalpakts verschärfter Druck auf das Budget angesagt sowie ein sogenannter „Kompetitivitäts-Schock“ (Senken der Löhne und Sozialleistungen, um Margen für Unternehmer und Aktionäre zu erhöhen) und ein „historischer Kompromiss“ bei den paritätischen Verhandlungen, um maximale Arbeits-Flexibilität zu erreichen. Und das alles trotz des Weges in die Rezession.

In der französischen Gesellschaft wird die Heftigkeit der konkreten Krisenfolgen immer spürbarer. Eine steigende Zahl von Ökonomen äußert sich kritisch und öffentlich, und sogar Christine Lagarde und der IWF können das Scheitern ihrer Strategie nicht mehr vertuschen.

Drei Monate nach Regierungsantritt ist die Notwendigkeit, energisch soziale und politische  Kämpfe zu führen, inzwischen recht breit bewusst. Bereits am 30. September konnte eine breite Koalition (60 Organisationen der politischen Linken, aus Gewerkschaften und Bewegungen) 80.000 TeilnehmerInnen zu einer Demonstration in Paris mit der Forderung, den Fiskalpakt nicht zu ratifizieren, mobilisieren. Eine weitere von der CGT (Confédération générale du travail) veranstaltete Demonstration An­fang Oktober zeigt Mobilisierungskapazitäten gegen die Kündigungspläne.

Die Ratifikation konnte nicht verhindert werden, aber es wurde ein wesentlicher Beitrag zur Ent-Legitimierung des in Zukunft die Budgetpolitik prägenden EU-Vertrages geleistet, und damit ein erster Stein für die künftigen Auseinandersetzungen um das Budget gesetzt.  Darüber hinaus kam damit auch wieder die Dringlichkeit einer Umorientierung der EU auf den Tisch. In Parlament und Senat haben sich die Fronten verändert: In beiden Häusern haben insgesamt 90 ParlamentarierInnen der linken Hemisphäre nicht für den Fiskalpakt gestimmt (77 dagegen, andere Enthaltung oder Nicht Teilnahme). Neben dem von Anfang an offensiv gegen den Fiskalpakt positionierten Front de Gauche nahm auch Europe Ecologie – Les Verts (Grüne) trotz ihrer Regierungsbeteiligung als Partei gegen den Pakt Stellung. Einige PS-ParlamentarierInnen stimmten gegen die Parteilinie.

In der Konfrontation mit der europaweiten Austeritätspolitik sollen in der nächsten Zeit die nationale Aktionseinheit weiter ausgebaut und die lokalen Kollektive (eine Tradition seit dem EU-Referendum 2005) aktiviert werden, als Beitrag zu einem gemeinsamen Kampf für die immer dringlichere Umorientierung der EU. Die Präsenz einer politisch breiten Delegation in Florenz sowie die Bereitschaft, einen gemeinsamen Streik in mehreren europäischen Ländern aktiv zu unterstützen, sind die nächsten Vorhaben.

* Europäischer Fiskalpakt/Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion bzw. Fiscal Compact/Treaty on Stability, Coordination and Governance in the Economic and Monetary Union (TSCG).

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