Neofaschistische Parteien wie die FPÖ glauben nicht an die Demokratie

Man darf die politische Gefahr nicht unterschätzen, die weltweit und in Europa von der neofaschistischen Rechten ausgeht. Nicht nur, weil in den Wahlen der beiden vergangenen Jahre Parteien dieses Profils die Stimmenanzahl verdoppelt haben; und weil nun die rechtsradikale AfD im deutschen Bundestag und darüber hinaus auch in allen 16 Landtagen vertreten ist. Bestätigt sich der Trend, so droht bei den bevorstehenden EP-Wahlen ein massiver Rechtsruck.  

Ich glaube nicht, dass die Beteiligung rechtsradikaler Parteien an Regierungen, namentlich in Mitteleuropa nichts weiter als eine unerfreuliche politische Episode darstellt, die sich früher oder später von selbst erledigt.   

Neofaschistische Parteien wie die FPÖ in Österreich glauben nicht an die Demokratie.  

Einmal in der Regierung, beginnen sie damit, systematisch Vorkehrungen gegen ihre Entmachtung zu treffen. Sie arbeiten daran, Medien, Polizei, Geheimdienste und Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie schränken die Pressefreiheit ein — und alles das unter dem Vorwand, das brave, anständige Volk gegen seine Feinde, Flüchtlinge, Islam, Soros, die Roma, Terrorismus, politische Korrektheit, Feminismus — und wer weiß gegen was sonst was noch, zu schützen.

Rechtsradikale Parteien sind genuin Feinde der Demokratie, die den Staat erobern und umbauen wollen, um auf reaktionäre, autoritäre Weise zu regieren.

Die Ursache der Ursachen: Kapitalismus

Diese neue Tendenz zur autoritären Herrschaft kommt nicht von Ungefähr. Ihre Ursache liegt darin, dass sich herausstellt, dass die neoliberale Austeritätspolitik, der Rückbau der Sozialstaaten, die Degradation und Prekarisierung der arbeitenden Klasse keines der Probleme Europas gelöst hat. Die soziale Unsicherheit wächst, die zentrifugalen Tendenzen in der EU, die Verschuldung der öffentlichen Haushalte und die Risiken der unkontrollierten Kapitalakkumulation bestehen weiter, sodass sich Anzeichen einer neuerlichen Finanzkrise und Rezession zeigen.  

Und dabei ist von den allergrößten Herausforderungen noch gar nicht die Rede: der ökologischen Krise und der sozialen Frage, die im 21. Jahrhundert global geworden ist.   

Angesichts der Menschen, die vor politischer Verfolgung, sexueller Gewalt oder einfach um einem aussichtslosen Elend zu entkommen, nach Europa flüchten, sagt man: Es käme doch in erster Linie darauf an, die Fluchtursachen zu beheben. Dem kann man zustimmen, wenn man dazusagt, dass es eine Ursache der Ursachen gibt: nämlich die ungerechte, Menschen und Natur ausbeutende Weltwirtschaftsordnung, die seit Jahrhunderten besteht, und die man Kapitalismus nennt. Wer zum Kapitalismus schweigt, sagt nicht genug zu den Fluchtursachen.

Im Ernst also: Wie lange wird es aus heutiger Sicht dauern, bis der Kapitalismus weltweit überwunden, oder bis zumindest eine gerechte Weltwirtschaftsordnung verwirklicht ist? Ist es diese ungewisse, vage Perspektive, die wir den in Europa ankommenden, verzweifelten Menschen mitteilen wollen?  Was für eine Art von Politik wäre es, für arme Menschen statt praktischer Solidarität ideologische Welterklärung bereitzuhalten.

Die herrschende Klasse ist ihrerseits dabei, ihren Ausweg aus der Sackgasse zu finden, in die sie die Gesellschaften mit dem Neoliberalismus geführt hat: Dieser heißt Aufrüstung, Krieg, Festung Europa, Nationalismus und autoritäres Regieren. Das ist das Programm der illiberalen Demokratie, die die radikale Rechte bei den Europaparlamentswahlen vertritt.  

Verzeiht meine Offenheit, ich sehe uns auf diesen grundsätzlichen Wechsel der Lage schlecht vorbereitet.  Immer wieder wird, und das zu recht, auf den inneren Zusammenhang zwischen Neoliberalismus und Neofaschismus hingewiesen. Aber das Problem besteht nicht in der theoretischen Interpretation, sondern darin, praktisch für eine politische Alternative in Europa zu kämpfen, die die universalen Menschenrechte, die Demokratie und die Freiheit mit dem Respekt vor den Rechten und der Würde der Männer und Frauen zu verbindet, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, in der Industrie, in der Dienstleistung oder der Care-Economy, unabhängig von Hautfarbe, Nation und religiösem Bekenntnis.  

Wer zu spät kommt

Das ist eine politische Frage. In der Demokratie sind politische Parteien notwendig, nicht um soziale Bewegungen zu ersetzen, sondern um sie politisch zu repräsentieren. Das Verhältnis zwischen institutionalisierter Politik und Zivilgesellschaft ist daher ein Schlüsselproblem demokratischer Politik.  

Es braucht einen Dialog unter Gleichwertigen, nicht nur zwischen den Parteien, sondern auch zwischen Parteien und Zivilgesellschaft.

Wir erleben in zahlreichen Ländern Europas einen Umbruch des Parteiensystems. Sozialdemokratische Parteien, die ihre Liaison mit dem Neoliberalismus nicht beenden können, versinken in der Bedeutungslosigkeit, weil sie die Zeichen der Zeit nicht erkennen, und wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Wir müssen und können es besser machen.

Wir müssen die friedliche Integration Europas gegen die neofaschistische Rechte verteidigen. Das aber kann nur gelingen, wenn wird die Logik der Integration selbst ändern, sie sozial, ökologisch, feministisch – vor allem aber demokratisch machen.  

Wir müssen die Millionen Menschen in Europa vertreten, die in aller Diversität eine neue Arbeiterklasse bilden, aber wir dürfen nicht auf die breiten Allianzen verzichten, die heute mit NGOs, Intellektuellen, Glaubensgemeinschaften und sozialen Bewegungen möglich sind, wenn es darum geht, Menschenrechte und internationale Solidarität zu verteidigen. 

Wir stehen an einem Wendepunkt, an dem wir uns weder fragmentieren lassen noch mit halben Antworten zufrieden gebe dürfen.

Zeiten der Krise sind immer auch Zeiten neuer Möglichkeiten. Gelingt es uns, diese nach diesen beiden Tagen besser zu verstehen, um sie gemeinsam zu ergreifen, dann ist das Bilbao Forum ein Erfolg und der Beginn eines Prozesses, den es weiterzuentwickeln und strukturell zu verfestigen gilt.

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