Neue Hoffnungen in eine neue Regierung

Im Zuge eines gemeinsamen Treffens des Parteirates und der Parlamentsfraktion des Linksbündnisses wurde einstimmig beschlossen, an einer Koalitionsregierung aus fünf Parteien teilzunehmen. Bevor die Entscheidung getroffen wurde, befragte das Linksbündnis seine Mitglieder, ob die Partei an dieser Koalition beteiligt sein sollte, nachdem die Verhandlungen zum Regierungsprogramm am 3. Juni beendet worden waren. Das Ergebnis fiel deutlich aus: 97,2% der Parteimitglieder sprachen sich für die Regierungsbeteiligung aus, 0,3% stimmten ungültig ab und 1,5% stellten sich gegen eine Teilnahme. 33,7% der 11.000 Parteimitglieder nahmen an der Abstimmung teil.

Die Regierungsbildung begann nach den Parlamentswahlen am 14. April und wurde von der Sozialdemokratischen Partei (SDP) als größter Partei geleitet. Nachdem Antworten von allen Parlamentsparteien gesammelt wurden, fasste der SDP-Vorsitzende Antti Rinne den Entschluss, eine Koalition aus fünf Parteien – SDP, liberale Mitte, Grüne, Linksbündnis und liberale Schwedische Volkspartei – zusammenzustellen.

Ergebnisse der Parlamentswahlen vom 14. April 2019

Partei

% der Stimmen

% Veränderung

Mandate

 

Sozialdemokratische Partei

17,7

+1,2

40

 

Die Finnen

17,5

-0,2

39

 

Nationale Sammlungspartei

17,0

-1,2

38

 

Finnische Zentrumspartei

13,8

-7,3

31

 

Grüner Bund

11,5

+3,0

20

 

Linksbündnis

8,2

+1,0

16

 

Schwedische Volkspartei

4,5

-0,3

9

 

Christdemokrat_innen

3,9

+0,4

5

 

Blaue Zukunft

1,0

+1,0

0

 

Bewegung Jetzt

2,3

+2,3

1

 

Aland Koalition

0,4

0

1

 

Sonstige

3,2

+1,1

0

 

 

Die rechte Nationale Sammlungspartei und die Finnen, sowie die Christdemokrat_innen blieben somit in der Opposition. Der Vorsitzende der Zentrumspartei, Juha Sipilä, ehemaliger Premierminister der Mitte-rechts-Regierung, kündigte bereits seinen Rücktritt an. Ein neuer Vorsitz wird im Rahmen eines Sonderparteitags im September gewählt. Sipilä beschloss, nicht in der Regierung zu bleiben und wird auch nicht die Position des Parlamentspräsidenten übernehmen, sondern als gewöhnlicher Abgeordneter im Parlament bleiben.

Ministerien

Die neue Regierung wird 19 Minister_innen umfassen: Sieben aus den Rängen der SDP, fünf von der Zentrumspartei, drei von den Grünen und zwei jeweils vom Linksbündnis und der Schwedischen Volkspartei. 11 davon sind Frauen, 8 Männer. Die SDP wird den Premierminister, sowie den Kommunalminister und den Minister für Transport und Kommunikation stellen. Die Grünen entsenden den Außenminister sowie die Innenministerin, die außerdem den Parteivorsitz übernommen hat, die linksgerichtete Grüne Maria Ohisalo, die ihre Dissertation zum Thema Armut verfasst hat. Die Zentrumspartei wird den Finanz- und Wirtschaftsminister stellen und die Schwedische Volkspartei die Justizministerin, Anna-Maja Henriksson, die gleichzeitig Parteivorsitzende ist.

Das Linksbündnis wird das Sozial- und Gesundheitsministerium, sowie das Bildungsministerium (von dem jedoch die Wissenschaft, z.B. der Bereich Hochschulen, ausgenommen sind) übernehmen. Als das Linksbündnis zuletzt an der Regierung beteiligt war (2011-2014), hatte es das Transport- und Kulturministerium (einschließlich Sport) inne, was ein weniger bedeutendes Ressort darstellt.

Die neue Bildungsministerin wird die Parteivorsitzende Li Andersson sein. Den Posten der Sozial- und Gesundheitsministerin bekleidet in den ersten beiden Jahren Aino-Kaisa Pekonen aus der südfinnischen Stadt Riihimäki, eine ausgebildete Krankenpflegerin, die seit 2011 im Parlament sitzt und in den zweiten beiden Jahren Hanna Sarkkinen aus der nordfinnischen Stadt Oulu, die seit 2015 Parlamentarierin ist. Damit werden alle Regierungsmitglieder des Linksbündnisses Frauen sein. Der Grund, warum sich zwei Frauen eine Stelle teilen, liegt in der angestrebten regionalen Balance: Üblicherweise ist eine_r der Minister_innen des Linksbündnisses aus Nordfinnland.

 

Abb.: Die Minister_innen auf einer links-rechts- bzw. konservativ-liberalen Skala. Die Werte wurden auf der Basis der Antworten der Kandidat_innen definiert, die von der Zeitung Helsingin Sanomat als Wahlorientierung publiziert wurden. Graue Punkte: ehemalige Mitte-rechts-Regierung; schwarze Punkte: neue Regierung. Drei Minister_innen der ehemaligen Regierung fehlen. Quelle: Helsingin Sanomat 6.6.2019;

Regierungsprogramm

Das Programm der neuen Regierung ist das bis dato längste und umfasst insgesamt 190 Seiten. Alle Regierungsparteien berichten, dass ihre Hauptforderungen im Programm enthalten seien, aber viele Themen wurden nicht als konkrete Vorhaben formuliert, sondern als Ziele oder Themen, die erst weiter erforscht oder anvisiert werden müssen. Das Programm erhielt jedoch viel positive Kritik und ist ganz klar das am stärksten linksgerichtete Regierungsprogramm seit Jahrzehnten. Die Umwelt-Agenda stellt vielleicht den weltweit ambitioniertesten Klimaplan dar und visiert die Klimaneutralität des Landes bis zum Jahr 2035 an. Zu den wichtigsten Forderungen des Linksbündnisses gehört es auch, dass Sozial- und Gesundheitsleistungen hauptsächlich von staatlichen Unternehmen übernommen werden und der Privatisierung des Gesundheitssektors ein Riegel vorgeschoben wird, während diesem Sektor gleichzeitig mehr Geld zur Verfügung gestellt wird. Darüber hinaus plant die Regierung, mehr Ärzte für die öffentliche Gesundheitsversorge einzustellen und sicherzugehen, dass niemand mehr als sieben Tage auf nicht-notfallmedizinische Behandlungen warten muss. Verhütungsmittel sollen für Menschen unter 25 gratis zur Verfügung zu stehen. Im Programm wird darüber hinaus für Pensionen unter 1.000 Euro eine Erhöhung um 50 Euro über einen Zeitraum von vier Jahren vorgeschlagen.

Finnland wird weiterhin keinem Militärbündnis beitreten und der Export von Militärmaterial an Staaten, die an bewaffneten Konflikten teilnehmen, wird verboten. Außerdem wird dem umstrittenen „Aktivierungsmodell“ (Kürzungen des Arbeitslosengelds für jene, die bei ihrer Jobsuche nicht genügend Einsatz zeigen) ein Ende gesetzt und Kultur-, Jugend- und Entwicklungsfördermittel werden erhöht.

Die neue Regierung wird ihren Haushalt um 1,23 Mrd. vergrößern. Sie wird Steuern erhöhen, um 730 Mio. Euro mehr einzunehmen, das Alter der Schulabsolvent_innen um ein Jahr auf 18 erhöhen, Schüler_innen der Sekundarstufen Schulmaterialien kostenlos zur Verfügung stellen und die jährliche Flüchtlingsquote auf 850 erhöhen (derzeit 750). Die rechtliche Definition von Vergewaltigung wird geändert, sodass ein Mangel an Zustimmung den Tatbestand erfüllt. Die Regierung wird 300 Polizist_innen mehr einstellen und Strafen für Gewalt- und Sexualdelikte – besonders an Kindern – werden erhöht. Die Erleichterung der Familienzusammenführung für Flüchtlinge, die die letzte Regierung erschwert hatte, wird nun neu überlegt.

Die Regierung wird Steuern auf fossile Brennstoffe (250 Mio. Euro), Tabak (200 Mio.), Alkohol (50 Mio.) und Zucker erhöhen und die Einkommenssteuer um 200 Mio. Euro senken. Die Ausgabenpolitik der Regierung baut außerdem auf dem Ziel auf, die Anzahl der Beschäftigten in der Altersgruppe zwischen 16 und 64 von aktuell 72,4% auf 75% anzuheben. Ziel der Regierung ist es außerdem, sicherzustellen, dass die Wirtschaft unter normalen globalen Bedingungen gut funktioniert und dass die Staatsschulden bis 2023 sinken. Wenn bedeutende wirtschaftliche Probleme auftreten, hat sich die Regierung jedoch dafür ausgesprochen, die öffentlichen Ausgaben zu erhöhen, um negative Auswirkungen abfedern zu können.

Aus der Sicht des Linksbündnisses gehört zu den problematischen Themen die Erneuerung der 64 Militärflugzeuge in Staatsbesitz und der Verkauf von Staatsanteilen in Unternehmen im Wert von 3 Mrd. Euro. Außerdem wird es keine verbesserten Tierschutzmaßnahmen geben, Torf wird weiterhin als Energiequelle genutzt werden, auch wenn die Regierung plant, bis 2019 aus der Kohle auszusteigen. Sowohl Grüne als auch das Linksbündnis stellen sich gegen Pelzfabriken; dies wird jedoch im Programm nicht erwähnt.

Das Regierungsprogramm umfasst viele Themen, die vor einer finalen Entscheidung noch genau beleuchtet werden müssen. Die Minister_innen haben viel Spielraum, selbst zu entscheiden, welche zuerst in Angriff genommen werden sollen. Eines der ersten Konfliktthemen zwischen den Grünen und der Zentrumspartei (es geht um die Umsetzung der geplanten Investitionsprojekte in Zellstofffabriken) machte sich jedenfalls bereits bemerkbar.

Das gesamte Regierungsprogramm steht hier zum Download bereit (Englisch);

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