Regionalwahlen in Frankreich

Einige Lehren aus den französischen Départementswahlen, die am 22. und 29. März erstmals nach neuem Gesetz aus dem Jahr 2013 abgehalten wurden. Sie fanden in zwei Wahlgängen statt.

Kräftiger Rechtsruck und Wahlschlappe für die Sozialistische Partei
Bereits nach dem ersten Wahlgang zeichneten sich starke Zugewinne für die Rechte und die extreme Rechte ab. In den Wahlen von 2008 und 2011 kamen linke Parteien zusammen auf beinahe 50%, in diesem Jahr erreichten sie insgesamt nicht einmal 37% der Stimmen. Die traditionelle Rechte (UMP und die Mitte-rechts-Parteien) konnte einen Anstieg von 5% im Jahr 2008 und 15% 2011 auf über 25% der Stimmen im Jahr 2015 verzeichnen. Der Front National erreichte im ersten Wahlgang in 23 Départements (von insgesamt 101) die stimmenmäßige Mehrheit und schaffte es immerhin in 1.100 (von insgesamt 4.055) Kantonen zum zweiten Wahlgang, oft mit vielversprechenden Aussichten. Obwohl der FN letztendlich nach dem zweiten Wahlgang in keinem Département eine Mehrheit gewinnen konnte, gelang der extremen Rechten mit dieser Wahl etwas Entscheidendes: Mit ihrem trotzdem guten Wahlergebnis wird sie ihren Einfluss im ganzen Land vergrößern, da sie lokal Fuß fassen kann.
Die Sozialistische Partei (PS) wurde für ihre unpopuläre Regierungspolitik und ihre strategische Orientierung in Richtung politischer Mitte hart abgestraft. In den Jahren 2008 bzw. 2011 kam sie alleine auf 26,7% bzw. 24,9% der Stimmen. Bei der jetzigen Wahl erreichte sie knapp 21%, oft bloß als Teil von Wahlallianzen. Dieses vernichtende Ergebnis äußerte sich im zweiten Wahlgang im Verlust von 27 Départements (von 56 vor den Wahlen), die vormals von der PS regiert worden waren. Nunmehr werden zwei Drittel der Départements von der Rechten regiert.
Diese Regionalwahlen führen also ein weiteres Mal die politische Krise vor Augen, in der die französische Demokratie heute steckt. Während die Wahlbeteiligung diesmal (50,2%) nicht ganz so niedrig war wie im Jahr 2011 (44,3%), blieb sie trotzdem – besonders in urbanen Gebieten, wo ein Großteil der Arbeiter_innen wohnt – sehr schwach. Die Politik der Regierungen – ob nun der Rechten oder Linken zuzurechnen – lässt die Unzufriedenheit der Bevölkerung eher in eine Form von Verachtung als in Zorn umschlagen. Diese Verachtung, die durch die enttäuschten Erwartungen der Bevölkerung entsteht (auf seiten der Linken wie der Rechten), erzeugt keinen Kampfgeist und führt nicht zu einem Veränderungswillen, sondern zu einem politischen Misstrauen, und überträgt sich in Stimmen für den FN.
Das Wahlergebnis des Front de Gauche als Zeichen von Widerstand gegen die Zersetzung der Linken
Das neue Wahlrecht ebnete den Weg zu neuen Allianzen, besonders mit der Partei Europe Écologie – Les Verts (Europa Ökologie – Die Grünen). Insgesamt konnten jene Doppelkandidaturen (Anm. der Red.: Kandidat_innen traten nicht mehr wie gewöhnlich einzeln gegeneinander an, sondern bildeten „Duos“ aus jeweils einem Mann und einer Frau, die im Falle eines Wahlerfolgs gemeinsam in den Départementsrat einziehen), in denen sich ein Front de Gauche-Mitglied befand, im ersten Wahlgang 9,4% der Stimmen für sich gewinnen. Zum Vergleich: Im Jahr 2008 erreichte die PCF (Kommunistische Partei Frankreichs) 8,8%, und 2011 schaffte es der Front de Gauche (Linksfront) auf 8,9%.
Verglichen mit den starken Verlusten für die PS und somit für die Linke insgesamt kann dieses Wahlergebnis des Front de Gauche als ermutigendes Signal gewertet werden. Der aufkeimende Optimismus sollte jedoch genauer analysiert werden. Der Front de Gauche konnte sein Ergebnis zwar verteidigen, jedoch keine Zugewinne verzeichnen oder bei jenen Teilen der Wähler_innen punkten, die sich üblicherweise von der PS distanzieren. Die Ergebnisse des zweiten Wahlgangs bestätigten die Trends, die sich bereits im ersten abgezeichnet hatten. Trotz der desaströsen Ergebnisse für die Linke als Ganzes und trotz des unvorteilhaften Wahlrechts konnte der Front de Gauche beinahe zwei Drittel seiner Sitze in den Départementsräten behalten. In den 113 Kantonen, in denen er im zweiten Wahlgang noch antreten konnte, behielt er 163 Sitze von vormals 214, repräsentiert nun jedoch lediglich 37 Départements im Gegensatz zu 61 wie vor den Wahlen.
Der Front de Gauche verteidigt sein Ergebnis gegenüber dem FN
Der Front de Gauche wurde vom FN nur in drei Fällen geschlagen. In besonders von der Krise gezeichneten Gebieten wurde augenscheinlich, dass sich die in der Arbeiter_innenschaft verbreitete Unzufriedenheit nicht zwingend in Stimmen für den FN äußern muss. Der FN wollte beweisen, dass er den Platz der PCF bei den Arbeiter_innen eingenommen hat. Dies gelang ihm auf landesweiter Ebene auch (er erreichte 22% im zweiten Wahlgang). Auf lokaler Ebene schaffte er es aber nicht, die Kommunist_innen oder den Front de Gauche in die Knie zu zwingen.
Marine Le Pens Partei wird derzeit von einem signifikanten Teil der Wähler_innenschaft abgelehnt, auch wenn sie noch nie so viele Stimmen gewinnen konnte wie heute. Da der FN nach wie vor nur begrenzt dazu im Stande ist, Allianzen zu bilden und die Wähler_innen der traditionellen Rechten in zweiten Wahlgängen eher nicht den FN wählen, konnte er keine Mehrheit gewinnen. Dennoch scheinen die Dämme aufgeweicht, die Grenzen zwischen der traditionellen Rechten und dem FN verschwimmen zunehmend und die Partei arbeitet nachdrücklich an ihrer Legitimierung.
Mit Dynamik, Kreativität und Enthusiasmus zum gesellschaftlichen Wandel
Der Linken gelang es einmal mehr, ihre Stimmen auch im zweiten Wahlgang zu verteidigen. In Anbetracht der Strategie der PS, alle von ihr abweichenden Trends zu ersticken und die Linke als Ganzes um sich und ihre Politik zu scharen, wurde jedoch klar, dass die Linke in ihrem Selbstverständnis nicht mehr so geeint ist wie früher. Der Rechtsruck der PS stellt für viele einen Grund für die fehlende Einigkeit dar, besonders wenn diese Einigkeit bedeutet, dass die Linke gesammelt hinter der sie dominierenden Partei stehen muss. Für eine linke Mehrheit braucht es also eine andere Motivation und Dynamik, sonst wird die Linke mit der PS gemeinsam untergehen, während die Arbeiter_innen vermehrt zu Nicht- oder FN-Wähler_innen werden.
Der Front de Gauche verdankt seine heutigen Stimmen zumindest auf lokaler Ebene den früheren Wahlergebnissen der PCF. Dieser in der Gesellschaft verwurzelte Widerstand – der sich je nach Wahl anders äußert – wächst jedoch nicht, wodurch das Wahlergebnis des Front de Gauche seit 2008 (die Präsidentschaftswahlen ausgenommen) ähnlich bescheiden bleibt wie jenes der Kommunist_innen, die laufend Stimmen verlieren. Die positiven Resultate in weniger dicht besiedelten Gebieten kompensieren nur teilweise die Verluste in den ehemaligen Hochburgen der Linken. Darüber hinaus haben sich links von der PS bisher nicht viele Allianzen ergeben, die von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen worden wären.
Derselbe Verlust an Sitzen ließ sich bei den Kommunalwahlen 2014 und den Départementswahlen 2015 feststellen, wenn auch unter anderen Umständen. Wenn die Linke schlechte Ergebnisse einfährt, gewinnt die bestehende Wähler_innenbasis an Wichtigkeit, die für eine gewisse Sicherheit sorgt. In der aktuellen Situation jedoch schafft es der Front de Gauche nicht, sich aus dem Zangengriff zu befreien, in dem sich die Linke der Linken befindet: Entweder muss er sich mit seiner Rolle als kleine Minderheitsbewegung mit Protestcharakter abfinden oder sich selbst als jener Faktor der Linken begreifen, der eine Rückbesinnung der gesamten Linken auf die eigentlichen Werte der Sozialdemokratie erwirken kann, die man längst aus den Augen verloren hat.
Die bloße Aufrechterhaltung des Status Quo reicht jedenfalls nicht, um eine Kultur der Sozialkritik aufblühen zu lassen und eine wahrhaftige Alternative präsentieren zu können. Ein wirksamer gesellschaftlicher und demokratischer Wandel muss ein dynamisches, kreatives und mitreißendes Element aufweisen – denn heute auf der Stelle zu treten, bedeutet morgen unterzugehen.

Bearbeitung und Übersetzung: Veronika Peterseil

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