Wo steht die Linke in Europa?

Bei ihrer Zusammenkunft in Brüssel am 6. Dezember teilten Mitglieder von transform! und WissenschafterInnen aus ganz Europa ihre Erfahrungen und tauschten sich zu folgenden wichtigen Themen aus: Wo steht die Linke in Europa? In welche Richtung werden sich die gegenwärtigen Widersprüche und die neuen politischen Konstruktionen entwickeln?

Angesichts des massiven Einbruchs der Ökonomien ihrer südlichen Mitgliedsländer und einer Stagnation in den anderen Ländern ist die EU mit einer Krise konfrontiert, die ihren Ursprung nicht im Euro selbst hat, sondern in der ungerechten Wirtschafts- und Währungspolitik, die jenen Euro hervorgebracht hat, den wir kennen. Weder die Rechte noch die Sozialdemokratie scheint imstande, sich ein anderes Heilmittel als Sparmaßnahmen auszudenken.

Um ein wirksames alternatives und linkes Modell für die EU zu entwickeln und einen Ausweg aus der Krise aufzuzeigen, muss man, so Javier Navascués, mit der Benennung der Kernideologie der europäischen Integration und der spezifischen Machtbeziehungen beginnen, die diese hervorgebracht hat. Obwohl es unter den nationalen Kapitalfraktionen einen Konsens zugunsten einer europaweiten Homogenisierung gibt, ist diese – laut Haris Golemis – noch ausständig. Wird angesichts der Tatsache, dass die Nationalstaaten noch immer eine zentrale Rolle spielen, dieses Zeil je erreicht werden? Darüber hinaus ist angesichts des Ausmaßes der Rezession auch die einheitliche Haltung der herrschenden Klassen eine äußerst fragliche. Kann überhaupt von einer „europäischen Bourgeoisie“ gesprochen werden? Laut Pierre Khalfa tun sich Risse im System auf: Die unterschiedlichen Sichtweisen betreffend die Rolle der EZB und die Handhabung der griechischen Schulden kompromittieren die Einheit der herrschenden Klassen. Dies ist ein Fenster, das der Linken Möglichkeiten eröffnet.

Die Frage der Umverteilung des Reichtums (sowohl zwischen Klassen als auch Ländern) ist von zentraler Bedeutung – nicht nur im Hinblick auf die Gegnerschaft zum Kapitalismus, sondern auch, um das europäische Klassenbewusstsein zu fördern und nationale Auseinandersetzungen zu vermeiden. Elisabeth Gauthier fügte hinzu, dass eine integrale alternative Logik auch die Notwendigkeit der Erneuerung der europäischen Institutionen beinhalten müsse.

Zusammen mit einer Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in die Entscheidungsprozesse würde eine mehr am Klassenkampf orientierte Sicht auf die Krise den neuen Nationalismus schwächen, der sich aus den tiefen Spaltungen innerhalb von Gesellschaften und zwischen Ländern speist. Umverteilung und Solidarität sollten daher die zwei Schwerpunkte eines linken Projekts darstellen.

 

ReferentInnen: Walter Baier (Koordinator von transform!), Elisabeth Gauthier (Espaces Marx, Frankreich), Javier Navascués (Marxist Research Foundation, Spanien), Haris Golemis (NPI, Griechenland), Cornelia Hildebrandt (Rosa Luxemburg Stiftung, Deutschland), Pierre Khalfa (Fondation Copernic, Frankreich), Felipe Van Keirsbilck (Confédération des Syndicats Chrétiens, Belgien), Kate Hudson (Coalition of Resistance, UK), Marc Delepouve (FSU, Frankreich), Roberto Morea (transform! Italia), Elena Papadopoulou (NPI, Griechenland), and Nuno Moniz (Cultra, Portugal).

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