Die diesjährige UN-Klimakonferenz war überschattet von staatlicher Repression und der Behinderung zivilgesellschaftlicher Bewegungen sowie der Greenwashing-Politik der über 600 teilnehmenden Lobbyist:innen der Öl- und Gasindustrie. Unmittelbar nach der COP27 fand ein von transform! europe organisiertes Seminar zum Thema Klimagerechtigkeit statt.
Roland Kulke berichtet von dem Seminar “Climate Justice for Africa: Building a Global Solidarity Movement”, das am 21. und 22. November online stattfand und von transform! europe, Egypt’s Socialist People’s Alliance, Global Justice Now und Acción Ecológica Ecuador organisiert wurde:
Die UN-Klimakonferenz (auch bekannt als Konferenz der Vertragsparteien des UNFCCC oder COP27) ging am 20. November 2022 in Sharm el-Sheikh, Ägypten, zu Ende. Das bedeutendste Ergebnis der COP27 ist die Einrichtung des Fonds für Schäden und Verluste (Loss and Damage Fund) durch die Länder des Globalen Südens nach drei Jahrzehnten des Kampfes, der den von der Klimaerwärmung am stärksten betroffenen Ländern sofortige finanzielle Unterstützung bieten wird. Dies ist eine echte Errungenschaft, da der Fonds Menschen in armen Regionen und Ländern der Welt entschädigen könnte, die enorm unter Überschwemmungen und Hitzewellen leiden, wie wir kürzlich in Pakistan gesehen haben.
Sandeep Chachra, Direktor von ActionAid Indien, ist der Ansicht, dass “der Beschluss zur Einrichtung des Fonds für Schäden und Verluste, der auf der UN-Klimakonferenz in Sharm el-Sheikh gefasst wurde, ein historisches Ergebnis darstellt. Die G77 (Verhandlungsgruppe bestehend aus 134 Ländern, die mehr als fünf Milliarden der Weltbevölkerung vertreten) hat diese Solidarität am besten demonstriert. Der globale Süden hat die Einrichtung dieses Fonds nachdrücklich unterstützt”.
Chachra nahm als einer der Redner:innen an dem von transform! europe, Egypt’s Socialist People’s Alliance, Global Justice Now und Acción Ecológica Ecuador organisierten Online-Seminar teil, das im Anschluss an die COP27 am 21. und 22. November 2022 stattfand. Die Konferenz sollte ursprünglich vor Ort in Kairo stattfinden, geriet aber in das Visier der ägyptischen Sicherheitsbehörden, die die Organisator:innen daraufhin zwangen, die Veranstaltung kurzfristig abzusagen. Daher mussten wir unter Einhaltung der strengen Sicherheitsmaßnahmen dazu übergehen, die Konferenz online abzuhalten.
Im ersten von vier Panels wurden die schlechten Ergebnisse der COP27 diskutiert. Anschließend erörterten die Teilnehmer, welche Regeln in der internationalen Wirtschaft Klimagerechtigkeit verhindern und was geändert werden muss, um dem Klimawandel angemessen zu begegnen. Das dritte Panel widmete sich der Frage, wie wir Demokratie und soziale Gerechtigkeit stärken können, während sich das letzte Panel darauf konzentrierte, wie wir die solidarische Zusammenarbeit nach der COP27 stärken können. Mehr dazu weiter unten.
Dorothy Guerrero, Leiterin der Abteilung Politik bei Global Justice Now, erörterte in dem Seminar die ungelösten Fragen im Zusammenhang mit dem Loss and Damage Fund: Wer soll einzahlen und wer soll davon profitieren?
Einerseits wollen die westlichen Industrieländer, dass China einen Beitrag leistet, und andererseits wollen sie, dass nur die kleinen Inselentwicklungsländer, die am wenigsten entwickelten Länder und die klimatisch anfälligen Staaten davon profitieren. Diese Einteilung ist höchst ungerecht, denn demnach hätte Pakistan keinen Anspruch auf Finanzhilfe, obwohl es gerade in diesem Sommer eine der schlimmsten Klimakatastrophen seiner Geschichte erlebt hat. Allein diese Flut verursachte Schäden in Höhe von 14,9 Milliarden Dollar und wirtschaftliche Verluste in Höhe von 15,2 Milliarden Dollar. Sollte China einzahlen? Chinas Emissionen sind erst seit seinem Beitritt zur WTO im Jahr 2001 erheblich gestiegen, und seine Pro-Kopf-Emissionen haben erst kürzlich das Niveau der Ersten Welt erreicht1.
Ebenso wichtig ist es, darauf hinzuweisen, dass das Kapital ungleich verteilt ist. Der fossile Kapitalismus der letzten 200 Jahre hat immensen Reichtum ermöglicht. Allein die fünf größten Ölgesellschaften der Welt haben in diesem Jahr 170 Milliarden Dollar Gewinn gemacht. Dieses Geld muss in den Loss and Damage Fund umgeschichtet werden.
Viele der Redner:innen des Seminars folgten dem Vortrag des Mitveranstalters Mamdouh Habashi und diskutierten die von ihm geäußerten Bedenken zur aktuellen geopolitischen Lage. Während der COP27 drohte die EU damit, die Verhandlungen gänzlich zu verlassen. Ziel war es, China aus dem Block des globalen Südens zu entfernen, dessen Interessen von der so genannten G77-Gruppe vertreten werden. Den 134 Ländern, die in der G77-Gruppe vertreten sind, war klar, dass, sollten die westlichen Länder China erfolgreich abspalten, der Süden dadurch gespalten und vom Norden in immer kleinere “Häppchen” zerstückelt werden würde. Teilen und herrschen ist die traditionelle Art der Herrschaft imperialer Mächte. Es ist ein großartiges Ergebnis der COP27, dass der Süden nicht gespalten worden ist. Dazu mag beigetragen haben, dass sich die Länder des globalen Südens nur zu gut daran erinnern, wer sie bei der COVID-19-Pandemie mit Impfstoffen versorgt hat – nämlich China und Russland, nicht der Westen.
Abgesehen von der Zusicherung, dass es einen Fonds für Verluste und Schäden geben wird, sind die Ergebnisse der COP27 nicht sehr überzeugend. Seit dem Pariser Abkommen im Jahr 2015 sind die CO2-Emissionen Jahr für Jahr gestiegen, mit Ausnahme von 2020 infolge von COVID-19. Von echtem Klimaschutz kann also keine Rede sein… Im Gegenteil, es werden immer mehr Ressourcen verbraucht, die Abfallberge wachsen und es gibt keine rechtlichen und durchsetzbaren Verpflichtungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen.
Nach zwei Diskussionstagen zeigten sich die Teilnehmer:innen des Online-Seminars realistisch: Die COP27 hat die dringend notwendigen transformativen Entscheidungen zur Rettung des Klimas weitgehend verfehlt. Es gibt keine weiteren Pläne oder gar Verpflichtungen, wie die Emissionen weltweit reduziert werden können. Stattdessen bleiben wir beim “business as usual”. Pablo Solon von der Fundación Solon, Bolivien, sagte es deutlich: “Lobbyismus ist nicht mehr hilfreich. Wir brauchen Druck von unten, Druck von der Straße”. Fatma Khafagy, eine der Mitorganisator:innen des Seminars, brachte auch die Notwendigkeit einer breiten Beteiligung von Frauen und ihren Organisationen auf allen Ebenen der Klimapolitik in die Diskussion mit ein.
Das Online-Seminar endete mit der Feststellung, dass ein echter Gegengipfel und eine gemeinsame Mobilisierung der Zivilgesellschaft erforderlich sind, da es der COP an wirksamen Ergebnissen und echten Klimaschutzmaßnahmen mangelt. Daran wollen wir nun im Jahr 2023 arbeiten.
Referenz:
1Abbildung 4, S.10, in: European Commission, Joint Research Centre, ”CO2 emissions of all world countries – 2022 Report” (EUR 31182 EN)